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„Langweilige Partys“

■ taz-Serie „Neu in Berlin“ (Teil 9): Der DJ Oleg Bogdanov jettet zwischen Clubs im russischen St. Petersburg und der deutschen Haupstadt hin und her

Oleg Bogdanov, 35 Jahre alt, handelt mit Platten zwischen Berlin und St. Petersburg und ist in Berlin Producer bei einem Off-Label: Ich verstehe mein Leben als Projekt. Ich kreiere es. In St. Petersburg habe ich vor einem Jahr einen DJ-Laden eröffnet. Den einzigen, den es dort gibt. Wir importieren Vinylplatten. Neulich habe ich in Petersburg eine Party mit DJs vom Tresor organisiert. Die Leute haben die ganze Nacht gerockt. Seit Oktober pendel ich zwischen Berlin und Russland. Jetzt will ich Berliner Labels wie Bungalow und Jazzanova nach St. Petersburg bringen. Ich bemühe mich gerade um Sponsorengelder.

Berlin ist eine sehr offene Stadt, in der man als Ausländer gut unter kommen kann. Hier wird man auch als Professioneller hoch geschätzt. Ich habe in einer Woche eine Stelle beim Musiklabel Crippled Dick Hot Wax als Product Manager gefunden. In Zukunft werde ich das zwei Wochen im Monat machen. Die andere Zeit jette ich nach St. Petersburg.

Ich werde der erste Russe sein, der professionell im Musikmanagement etwas macht. Viele Russen, die hierherkommen, verlieren ihr Herkunftsland aus den Augen. Für mich ist Russland das wichtigste Land auf der Welt. Das ist das Land, wo meine Großmütter sind. Ich kann in beiden Welten leben. Ohne Leute wie mich würde so etwas wie kultureller Austausch zwischen den Völkern nie laufen.

Das Leben, das ich führe, ständig die ganzen Partys und so, kann man führen bis man stirbt. Ich gehe am liebsten in Russland auf Partys, weil jede Party ein besonderes Ereignis ist. In Berlin finde ich die Partys langweiliger. In Deutschland sind die Leute überfüttert. Denen geht das nicht so unter die Haut. In St. Petersburg tanzt das ganze Haus. Die Leute steigen auf irgendwelche Fässer und tanzen bis in die Morgenstunden. Die Atmosphäre ist sexuell sehr aufgeladen, was hier total fehlt. Dort haben die Leute super schöne Klamotten an. Jeder versucht besonders auszusehen. Hier herrscht mehr so ein langweiliger Stil. Und dann gucken die Leute dich dort direkt an. Hier versuchen sie immer, den Blick abzuwenden. Im Osten wirst du sofort angestrahlt und musst zurück strahlen.

Trotzdem mag ich die Deutschen, auch wegen ihrer Verschrobenheit, wegen ihrer Fußballhysterie und ihrem intellektuellen Wahnsinn. Die gehen jahrelang in Psychotherapie. Das ist für Russen undenkbar, dieses mit dem Kopf denken und nicht mit dem Bauch.

In Zukunft wird sich die Off-Musik-Szene von Hamburg nach Berlin verlagern, weil es viele Nischen gibt, die noch besetzt werden können. Hier wechselt alles immer wieder ab. Vor ein paar Jahren war Mitte angesagt, dann Prenzlauer Berg, jetzt Friedrichshain, und in ein paar Jahren wird Pankow es werden. Ich wohne jetzt schon dort. Die Szene braucht unrenoviertes Gelände. Alles andere erinnert sie an ihre Elternhäuser und an Institutionen. Ich bin auf der Seite derjenigen, die in Fabrikhallen gehen. Institution ist für mich als Russe verdächtig. Institution ist Politik und Politik heißt Korruption, auch wenn es hier nicht so schlimm ist wie in Russland. Wenn Berlin fertig renoviert ist, kann es zum zweiten Frankfurt werden. Dann gehe ich wieder weg. In St. Petersburg wird es immer wild sein, wie ein Rausch. Wir Russen sind die Türken Europas.

Zugehört hat

Annette Rollmann

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