Nazi-Ästhetik vor dem Durchbruch

■ Bausenator Strieder läßt Wohlwollen für die umstrittene Lichtkathedrale an Silvester durchblicken. Bezirkspolitiker fordern Stellungnahme von der Bundesebene. Entscheidung noch in dieser Woche

Trotz zahlreicher Proteste gegen den für Silvester geplanten Lichtdom an der Siegessäule will sich Bausenator Peter Strieder (SPD) für das Spektakel stark machen. Nach Angaben seiner Pressesprecherin Petra Reetz ist Strieder „kein Freund davon, Lichtkunst immer gleich mit dem Makel des Nationalsozialismus zu belegen“ und wolle die Angelegenheit nicht dramatisieren.

Der Bezirksbürgermeister von Tiergarten, Jörn Jensen (Grüne), und der Baustadtrat von Mitte, Thomas Flierl (PDS), forderten unterdessen, den Bund mit in die Debatte einzubeziehen. Da es um die Frage gehe, wie sich die Haupstadt weltweit präsentiere, sollten Bundestagspräsident Thierse und Kulturstaatsminister Naumann (SPD) angehört werden. Strieder solle keine einsame Entscheidung treffen, sondern Sachverstand hinzuziehen.

Vom Abgeordnetenhaus damit beauftragt, wird die Senatsbauverwaltung noch in dieser Woche den Fall prüfen. Dabei geht es in erster Linie um Formalia wie Denkmalschutz oder Sicherheit des Flugverkehrs. Für die Genehmigung ist zunächst die Bezirksbauverwaltung in Tiergarten zuständig. Strieder kann die Entscheidung wegen übergeordneter Interessen jedoch an sich ziehen.

Gestern Abend wollte sich der Chef der obersten Denkmalbehördem, Helmut Engel, mit den Veranstaltern treffen. Morgen wollen sich der Tiergartener Baustadtrat Hans Porath (SPD) und der Geschäftführer von Silvester in Berlin (SiB) zusammensetzen.

„Wenn die Lichtkathedraleplatzt“, sagte gestern der Geschäftsführer von SiB, Willy Kausch, gegenüber der taz, „dann ist auch der Rest gefährdet.“ Die SiB organisiert die gesamte Party-Meile rund um das Brandenburger Tor. Er habe aber nicht vor, das Projekt in irgendeiner Form zu ändern, betonte Kausch. Die Kritik zahlreicher Historiker und Politiker, die Lichtkathedrale würde an den Lichtdom des Hitler-Architekten Albert Speer erinnern, wollte er nicht beurteilen. Er persönlich habe keine Assoziation zu Speer, könne es aber nicht beurteilen, da er kein Historiker sei.

Der Regisseur des Lichtspektakels, Gerd Hof, liebt nach eigenen Angaben die Faszination des Monumentalen. Insbesondere, wenn weißes Licht im Spiel ist: „Das hat so eine klare Form, ich finde es sehr ästhetisch.“ Dennoch soll im Gegensatz zu den ursprünglichen Planungen an Silvester nicht nur statisches Weißlicht die Siegessäule beleuchten, sondern sollen auch bewegte, bunte Spots verwendet werden. „Der Vergleich mit Albert Speer, diesem schwachsinnigen Menschen, oder mit Leni Riefenstahl will mir nicht in den Kopf“, so der 48-jährige Hof gegenüber taz. „Mit so was hatte ich noch nie etwas zu tun.“ Die Siegessäule mit ihrer deutschnationalen Symbolik habe er sich nicht als Schauplatz ausgesucht. Es sei einfach kein anderer Platz mehr verfügbar gewesen. Am liebsten, so Hof, „hätte ich etwas am Brandenburger Tor inszeniert“. Zwar sei dieser Ort auch nicht gerade unvorbelastet, „aber welches Bauwerk in Berlin ist das nicht“.

Die Firma Art in Heaven überlegt, notfalls die Lichtkathedrale nach Athen zu verlegen. An der Akropolis sei, so „Art in Heaven“-Manager Asteris Koutoulas, schon seit längerem parallel ein Licht-Event geplant. hem/nau/ga