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Lachen mit der Deutschen Bahn

Die Reformbühne Heim & Welt zieht vom Schokoladen ins Kaffee Burger und verabschiedet sich mit einem Best-of-Programm

Die Kindersitze müssen in den Kofferraum“, sagt Falko Hennig und baut seinen alten roten Passat zu einem Shuttleservice um. Wo sonst die beiden Töchter des Autors und Performers sitzen, quetschen sich jetzt zwei Poeten und drei junge Frauen. Das Shuttle bringt sie vom Schokoladen ins Kaffee Burger. An beiden Orten treten gleichzeitig Mitglieder und Gäste der Reformbühne Heim & Welt auf. In der Pause tauschen die Ensembles das Lokal. Das Publikum kann mitkommen.

Mit einem „Best of“-Programm feiert die Reformbühne parallel ihren Abschied vom Schokoladen und den Einstand bei Burger. In dem ehemals besetzen Haus in der Ackerstraße ist es zu eng geworden für das literarische Varieté. Seit fünf Jahren treten dort Sonntags die sieben Heim-&-Weltler sowie zwei Gäste mit kurzen Texten, Sketchen und Liedern auf. Mitmachen kann jeder – Anruf genügt.

Die Show für den schnellen Lacher ist so beliebt, dass das Publikum sich bereits vor der Schoko-Bühne drängelt, während dort noch die „Tagesschau“ im Fernsehen läuft. Traditionell beginnt die Vorstellung erst nach dem Wetterbericht. Solange kann man sechs Männern dabei zusehen, wie sie um einen Holztisch herum sitzen, trinken, rauchen und reden. Bov Bjerg reißt den Laden aus der meditativen Simmung, indem er aus einem Kursbuch der Bahn vorliest. Rasend schnell sagt er die besten Verbindungen von Berlin nach Göppingen („da ist das Grab von Manfred Wörner“) an. Mit gezielten Pausen und punktgenauen Betonungen zeigt sich der Reformbühnen-Mitbegründer als routinierter Stand-up-Literat.

Genauso Falko Hennig, der in seinem Sketch „Die Reise aufs Land“ ebenfalls in die geheimnisvolle Welt der Eisenbahn abdriftet. Mit Miss-Piggy-Stimme erklärt eine DBlerin einem Kunden die Unterschiede zwischen dem „hässlichen Biberangebot“ und der „heißen Kühlschrankkarte“. Der Vorteil des Biberangebotes: An zwei Werktagen können bis zu acht Säugetiere mitgenommen werden. Manfred Maurenbrecher spielt an diesem Abend exklusiv im Schokoladen – das Kaffee Burger hat noch kein Klavier. Mit schwankendem Oberkörper und geschlossenen Augen singt er superböse „Gib nicht gleich auf“, das mit höhnischen „Hohohos“ aufgenommen wird.

Die neue Heimstatt der Reformbühne liegt nur einige hundert Meter von ihrer alten Spielstätte entfernt, aber der Umzug führt in eine komplett andere Welt: dunkle Holztäfelung, beige Vorhänge und Stehlampen mit Kordelverzierung statt der roten Kuschligkeit des Schokoladens. Leider ist auf der Bühne kein Platz für den Stammtisch. Wer liest, hat hier keine Rückendeckung von den Kollegen. Bei der Premiere wirkte das etwas verloren, auch weil nur rund zwei Dutzend ZuhörerInnen ins Kaffee Burger gekommen waren. Doch die amüsierten sich gut über einen Jahrtausendwechsel-Text, den Tube von seinen abgegriffenen Zetteln las, und eine Geschichte über Männerdeo von Reformbühnen-Veteran Hans Duschke. Es war schon erkennbar: Das Heim-&-Welt-Flair wird auch in der neuen Umgebung florieren. Fehlt nur noch das Klavier. Nadine LangeJeden Sonntag ab 20.15 Uhr im Kaffee Burger, Torstr. 60

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