Schule der Widersprüche

Nerven statt glatt bügeln, zerstören statt aufbauen: Knarf Rellöm Ism machen sich mit ihrer Platte „Fehler is King“ auf, zu Blumfeld-Antipoden zu werden ■ Von Andreas Hartmann

Treffpunkt zum Interview mit der Band Knarf Rellöm Ism ist die Wohnung des Schlagzeugers in einem ehemals besetzten Haus im Prenzlauer Berg. Zur Begrüßung reicht Knarf Rellöm, der Musiker, die Hand und sagt: „Hallo, ich bin Knarf.“ Mehr nicht.

Gäbe es eine Hitliste der komischen Künstlernamen, Knarf Rellöm wäre in den Top Ten. Dabei ist das längst nicht alles. Um die Sache noch kauziger zu gestalten, gibt es den Namen fast nie ohne Zusatz. Zuletzt ergab das Ladies Love Knarf Rellöm, jetzt ist es Knarf Rellöm Ism. Verwirrstrategie oder Spaß? Beides. Und eine augenzwinkernde Auseinandersetzung mit sich selbst als Produkt, die den Versuch, sich einer Corporate Identity zu entziehen, selbst zur Corporate Identity erklärt. Es macht deutlich, wie schwer es ist, in Zeiten, in denen die Kulturindustrie Widerspenstigkeit ohne Probleme zu Geld macht, noch so etwas wie Unbequemlichkeit zu formulieren. Gerade mal zwei Optionen bleiben übrig: Entweder mitmachen oder dagegen sein und trotzdem mitmachen. Knarf Rellöm wählt stattdessen eine dritte: Dagegen sein, und das bewusst machen.

Das Gespräch findet in einem Restaurant um die Ecke statt, in dem es original Thüringer Küche gibt. Rustikales Ambiente, gediegene Atmosphäre, deftiges Essen. In so einen Laden verliert sich sonst kein Hipster. Die Wahl des Ortes scheint wie ein Kommentar gegen das sonst übliche Schmoren im eigenen Subkultur-Saft, den Rückzug ins eigene Milieu zu sein. Und nichts käme für Knarf Rellöm Ism weniger in Frage als der Rückzug.

Den Status des Anders-Seins locker erfochten

Knarf Rellöm, der Musiker, kommt aus Hamburg – der Stadt, in der Ironie, Pop und Links-Sein traditionell eine Einheit bilden. Sich in dieser Stadt, wo immer alles gleich „Hamburger Schule“ ist, eine eigene Position zu erarbeiten, ist sicherlich schwieriger als irgendwo anders in Pop-Deutschland. Hier, wo der so genannte Underground miteinander klüngelt, wo der Blick von außen wenig bereit ist, zwischen Blumfeld und den Goldenen Zitronen die fundamentalen Unterschiede hervorzuheben, und wo sich gleichzeitig „Originale“ wie Rocko Schamoni gegenseitig im Sinne ihrer Nicht-Kategorisierbarkeit übertreffen, wird es zur Schwerstarbeit, Ecken und Kanten als glaubwürdiges Profil zu vermitteln. Doch Knarf Rellöm scheint sich den Status seines Anders-Seins ganz locker erfochten zu haben. Er ist anders, weil er eben so ist, wie er ist. Punkt. Sein Normal-Sein ist anders: diese Gerade-eben-aufgestanden-Frisur, der Flohmarkt-Glam, den er ausstrahlt und das Bäuchlein, das ihm eine gewisse Gemütlichkeit verleiht.

Was Knarf Rellöm schon immer ausgezeichnet hat, ist das Verweben von Eindeutig- und Uneindeutigkeiten, das Vermengen von klaren Aussagen und Verstörung. In diesem Sinne könnte Knarf Rellöm Ism auch für so etwas wie einen Knarf-Rellöm-Ismus stehen, eine eigene Schule der Widersprüche, dessen Manifest „Fehler is King“ ist. Unglaublich wirkungsvolle Aussagen, erreicht durch totale Simplifizierung wie in dem Song „Hey! Everybody“, „das war kein Sozialismus, das war Spießerkram. Wir sind nicht am Ende, wir fangen an“ – konkreter geht’s kaum –, kollidieren mit einer Musik, die zwischen der selbst zerstörten Song-Ballade und elektronischem Trash – abstrakter geht’s kaum – vor allem eines macht: Sie nervt. Sie nervt, aber das ist gut so. Denn so stellt sich das ein, was Knarf Rellöm wichtig ist: „Man kann die Platte nicht einfach nur okay finden.“

Vor ein paar Jahren hatte Knarf Rellöm eine Band, die nannte sich Huah!, eine ihrer Platten hieß schlicht „Scheiß Kapitalismus“. Zuletzt gab es eine Soloplatte, Knarf Rellöm Ism dagegen funktioniert nun wieder als Band. Fester Schlagzeuger, Mann für Elektronik, feste Begleitsängerin.

Der Titel der Platte, „Fehler Is King“, ist gleichzeitig Botschaft. Es geht darum, so Knarf Rellöm, der gerade seine Berliner Weiße mit Schuss ansetzt, „Halbheiten zuzulassen, etwas, was eins ist, anzuzweifeln.“ Und: „Der perfekte Popsong interessiert mich auch nicht mehr. Der hat mich mal interessiert, ist aber letztlich eine idiotische Idee.“ Blumfeld hätten das auf ihrer letzten Platte „Old Nobody“ nicht einsehen wollen, aber, so Knarf Rellöm, „Blumfeld werden viel zu wichtig genommen. Vielleicht sollten die einfach auch mal eine schlechte Platte machen dürfen, ohne dass da eine große Bedeutung dahinter vermutet wird.“

„Fehler Is King“ ist der genaue Antipode zu „Old Nobody“ von Blumfeld. Nerven statt glatt bügeln, zerstören statt aufbauen und: „unsere Musik sollte schon eher für Zwanzigjährige als für Vierzigjährige sein. Sie sollte wehtun, Widersprüche kenntlich machen und Leute herausfordern. Sie sollte sagen: Es gibt noch andere Möglichkeiten, noch eine andere Realität, eine andere Welt als diese.“

Das ist sie, die Position, die schon beinahe verloren gegangen zu sein scheint. Die Kämpferische, die Vorwärtsschreitende, die Fordernde und nicht mehr dieses Suhlen im Selbstmitleid, dieser Rückzug in die eigene Selbstbefindlichkeit, die Klage über den Verlust des autonomen Subjekts.

Knarf Rellöm blickt nicht nach innen, sondern auf das, was um ihn herum passiert: „Was nervt, ist dieses Selbstmitleid. Wir in Deutschland haben nicht so einen Glam, hier kann man ja kein Neil Young sein, gut vier Platten verkaufen und trotzdem ein okayer Typ sein, so etwas hört man immer wieder. Solche Typen sind egozentriert, langweilig und dumm. Schlechte Künstler. Man erkennt schlechte Künstler daran, dass sie immer davon singen müssen, wie es ihnen gerade geht. Wenn jemand sagt, er könne nur Songs schreiben, wenn es ihm schlecht gehen würde, braucht er Ohrfeigen und zwar nicht zu knapp.“

Genau. Diese Befindlichkeits-Nabelschauen sind nichts anderes als die Kapitulation vor einer Welt, in der die auch von Linken so heiß geliebten Schwarzweiß-Muster am Zerbröckeln sind. Dieses Jutta Ditfurth-Links-Sein, dieser immer lauter werdende Ruf nach einem Zurück zur Moderne ist fatal. Alles so schlecht, dann weinen und mit getrockneten Tränen alte Parolen ausgraben, das kann nicht die Lösung sein. Mit Lust und Volldampf mitten rein ins Geschehen, an Utopien anstatt an verlorene Schlachten erinnern, das gefällt so sehr an Karf Rellöm Ism. „Spießer provozieren, sehen, wie weit man gehen kann, symbolisch und gesellschaftlich“ – der gute alte Punk-Gestus kommt hier im postmodernen Aufguss für die Lifestyle- und Dancefloor-erprobte Linke wieder. Was die damit macht, ist allerdings ihre Sache.

Knarf Rellöm Ism – Fehler Is King (WSFA/Indigo) Knarf-Rellöm-Ism-Tour: 17. 12. Greifswald (Klecks); 18. 12. Kiel (Hanson)