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Bahnindustrie lernt von Luftfahrt

DB-Chef Mehdorn will zusammen mit der französischen Bahngesellschaft SNCF einen neuen Hochgeschwindigkeitszug entwickeln lassen ■ Von Bernward Janzing

Freiburg (taz) – Zwei Bahngesellschaften setzen auf das Prinzip Airbus: Die Deutsche Bahn AG und die französische SNCF wollen von einem europäischen Industriekonsortium einen neuen Hochgeschwindigkeitszug entwickeln lassen. Damit sollen der deutsche ICE und der französische TGV bis zum Jahr 2010 zu einem internationalen Produkt verschmelzen.

Der neue Bahnchef Hartmut Mehdorn rief auch Unternehmen und Bahngesellschaften aus anderen Ländern dazu auf, sich an dem Projekt zu beteiligen. Er setzt damit Erfahrungen um, die er als Manager bei Airbus gewinnen konnte: Unternehmen aus Großbritannien, Frankreich, Spanien und Deutschland haben in diesem Konsortium die europäische Luftfahrt vorangebracht. Zudem ist der heutige SNCF-Präsident Louis Gallois ein alter Bekannter Mehdorns: Er war zu Mehdorns Airbus-Zeiten beim französischen Airbus-Partner Aerospatiale tätig.

Durch die grenzüberschreitende Zusammenarbeit sollen die Entwicklungskosten der Hochgeschwindigkeitszüge gesenkt und der Bahnindustrie langfristige Perspektiven geschaffen werden.

Die Sympathie der Deutschen Bahn für die französische TGV-Technologie kommt nicht überraschend. Schon im Herbst hatte die DB durchblicken lassen, dass der TGV auch auf deutschen Gleisen durchaus eine Alternative zum ICE sein könnte. Schließlich hat der TGV-Hersteller Alstom bereits vielfältige Erfahrungen auf Europas Gleisen. Sein Hochgeschwindigkeitszug verkehrt als Thalys auf Gleisen in Deutschland und Belgien, als AVE in Spanien und als Eurostar im Kanaltunnel zwischen Paris und London.

Reizvoll am TGV war für die Deutsche Bahn schon seit einiger Zeit der Preis. Es gilt als sicher, dass Alstom heute den Preis des ICE deutlich unterbieten kann – vermutlich um etwa ein Drittel. Denn mit 500 Zügen wurde der TGV bisher fünfmal so oft gebaut wie der ICE, von dem gerade vier Exemplare ins Ausland verkauft wurden – nach Holland.

Die Bahnindustrie in Deutschland vernahm die Meldung „mit großer Freude“. „Wer am zweiten Tag seiner Amtszeit schon solche tollen Projekte anpackt, von dem ist noch viel zu erwarten“, frohlockte Joachim Körber, Hauptgeschäftsführer des Verbandes der Bahnindustrie. Mit dem europäischen Projekt werde sich ein deutlich wachsender Markt entwickeln. Zumal durch einheitliche Züge auch der grenzüberschreitende Bahnverkehr vorangebracht und damit Nachfragepotential erschlossen werde. Im internationalen Hochgeschwindigkeitsverkehr sei noch viel zu tun: „Der ist bislang völlig unterbelichtet.“

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