Morgen, Studis, wird’s kein Bafög geben

In wenigen Tagen läuft die selbst gesetzte Frist ab, in der Bildungsministerin Edelgard Bulmahn ein generalüberholtes Bafög vorlegen wollte. Aber das angestrebte Ausbildungsgeld für alle wird ohnehin nicht kommen. Es ist nicht bezahlbar ■ Von Christian Füller

„Ob jemand studiert oder nicht auf die Uni kann, hängt entscheidend von seiner Herkunft ab“

Berlin (taz) – Gläubige kleine Kinder sitzen dieser Tage zu Hause und warten gespannt darauf, was das Christkind wohl bringen mag. Da geht es der Bildungsministerin nicht anders. Edelgard Bulmahn (SPD) steckt voller Erwartung, dass ihr die Kabinettskollegen eine Gabe vorbeischicken. Bulmahn hat versprochen, noch in diesem Jahr ein neues Konzept für die Studienförderung (Bafög) vorzulegen. Nun wartet sie darauf, dass die Mitglieder der Bundesregierung ihre Pläne dazu unterschreiben. Aber daraus wird nichts. Geschenke werden keine mehr gemacht.

Somit verstreicht auch der zweite Jahreswechsel, ohne dass Rot-Grün das verluderte staatliche Stipendienwesen für Deutschlands Studierende angepackt hätte. Bafög-gesponserte StudentInnen muss man an den Unis bald mit der Lupe suchen. Engagierte Abgeordnete, die „diesen Bafög-Skandal“ vor kurzem noch zu einer Suada über die Chancenumverteilung unter der Regierung Kohl nutzten, richten ihre Blicke heute grimmig, aber lautlos gen Himmel. „Die Ministerin ist fleißig, und sie hat in der Forschung viel bewegt“, sucht ein Parlamentarier nach dem Schönen und Guten bei Bulmahn – und schweigt über das Zeitlupentempo, in das die Bafög-Reform gefallen ist.

Die CDU-Opposition, die das Bafög 16 Jahre lang hat verlottern lassen, nutzt den Stillstand zu frechen Initiativen. „Wo bleibt Ihr Bafög-Vorschlag, Frau Bulmahn?“, fragte Bildungspolitiker Thomas Rachel.

Die Regierung ist indes weder beim Wiederaufrichten des Bafög noch bei einer wenigstens zeitweisen Unterdrückung von Studiengebühren wirklich vorangekommen. Dabei sind das die beiden zentralen sozialen Vorhaben, mit denen Rot-Grün den Studierenden den Rücken frei halten wollte: Damit Studis sich ganz dem akademischem Kampf um Seminare und Scheine widmen können.

Ohne eine Reform des Bafög, meinen sowohl der Studentendachverband fzs wie die Rektorenkonferenz, sind die Hochschulen nicht flott zu kriegen. Sogar die notorisch zerstrittenen Kultusminister stimmen darin überein, eine Art „Bafög für alle“ einzuführen, eine Studienförderung, von der alle Studierenden etwas haben und nicht, wie derzeit, bloß 14 Prozent der Studierenden. „Ob jemand studiert oder nicht auf die Uni kann, hängt entscheidend von seiner Herkunft ab“, bilanziert Christine Buchheit vom Deutschen Studentenwerk resigniert die Geschichte des Bafög.

Den Durchbruch will Bulmahn eigentlich mit einem so genannten Sockelmodell bringen – das so heißt, weil es auf einem Fördersockel fußt, auf dem jeder Studierende stehen können soll. Über 400 Mark pro Monat würde jeder Studiosi erhalten, unabhängig vom Einkommen seiner Eltern. Das würde, so die Hoffnung, die Notwendigkeit zum Nebenjob für Studierende mindern und die Aufmerksamkeit auf den Wissenserwerb steigern.

Dazu sollte ein zweites Element der Studienförderung kommen, dessen Höhe sich nach dem Einkommen der Eltern richtet. Er müsste, wie das jetzige Bafög, zurückgezahlt werden. Drittes Element schließlich wäre das Studienabschlussdarlehen. Wem, wie so vielen Kommilitonen, mitten im Examen das Geld ausgeht, der soll mit einem Bankdarlehen das rettende Examensufer erreichen.

Doch die drei Elemente sind Makulatur, wenn der Sockel wakkelt – und das tut dieses Fundament eines ganz neuen Bafög, das aus dem Kindergeld sowie Steuerfreibeträgen (mit rund 6 Milliarden Mark) finanziert werden sollte. Seitdem das Verfassungericht bestimmt hat, dass der Sockel den Kindern reicher Eltern genausoviel Barzuschuss bringen muss, wie diese aus Freibeträgen an Steuervorteilen ziehen können, ist die Finanzierung des ganzen Sockelmodells aber ins Wanken geraten. Ein bis zwei Milliarden Mark, so lauten Modellrechnungen, müsste Bildungsministerin Bulmahn zusätzlich aufbringen – eine Sisyphos-Aufgabe. Ihr Etat muss ohnehin, anders als alle anderen Ministerbudgets, jährlich um eine Milliarde aufgestockt werden. Weitere außerplanmäßige Ausgaben sind für Kanzler Schröders Truppe hinzugekommen. Die Milliarden sind vergeben.

„Wenn sie das Geld zusammenbringt“, orakelt der grüne Bildungspolitiker Matthias Berninger, „ist sie der Star. Aber die Ministerin hat sich schon ein halbes Jahr vergeblich bemüht. Die Zeit drängt.“

Das Studentenwerk mag der Bildungsministerin gar keine Zeit mehr geben. Das Motto der Institution, die das Bafög verwaltet, lautet inzwischen: Die Studienförderung muss Chefsache werden! Daher suchen die Studentenwerker jetzt das Gespräch direkt mit dem Kanzler. Der hatte immerhin versprochen, Studieren dürfe in Deutschland „nie wieder“ vom Geldbeutel der Eltern abhängen.

Wenn der paternalistische Vorstoß des Studentenwerks aber ins Leere geht, erwartet die Studenten nicht das Christkind, sondern auch unter Rot-Grün the same procedure as every year. Das ist, die Union hat es im Bundestag bereits vorgeschlagen, eine kontinuierliche Erhöhung der Eltern-Freibeträge ...