: Zwischen Internet und Vogelschutz
Schwerpunkt Expo: Ohne Staatsknete und Millenniumsrummel tagt zum Jahresende der 7. Jugendumweltkongress in Tübingen
Berlin (taz) – Schon vor Weihnachten herrscht Silvesterrummel allerorten. Aber wie verbringen all jene den Jahreswechsel, die sich bisher unter dem Motto „Brot statt Böller“ dem kollektiven Freudentaumel verweigert haben? In der Tübinger Geschwister-Scholl-Schule sind sie willkommen. Dort veranstaltet die BUND-Jugend in Kooperation mit freien Umwelt- und Projektwerkstätten vom 26. Dezember bis zum 2. Januar den 7. Jugendumweltkongress (JUKß) unter dem Motto „Freiräume statt Technikträume“.
Der Auftakt-Kongress im Sommer 1993 war der Startschuss einer in überparteilichen Netzwerken und Projektwerkstätten organisierten Ökologiebewegung, die vom Müsliimage wegkommen wollte. Die in Umweltkreisen noch vorhandene Scheu vor der Benutzung von Computer und Internet ist in JUKß-Kreisen unbekannt. Hier arbeitet man pragmatisch und effektiv. Kritik an herrschenden Verhältnissen ist damit nicht ausgeschlossen, was sich auch an dem diesjährigen Motto zeigt. „Nicht technische Patente, sondern Menschen mit Kreativität und guten Ideen werden die gegenwärtigen und zukünftigen Probleme lösen. Unser Ziel sind soziale statt technologische Lösungen“, erklärt eine JUKß-Sprecherin.
Als Negativbeispiel für technokratische Zukunftskonzepte knöpfen sich die JungökologInnen die Expo 2000 vor, die im nächsten Sommer in Hannover mit viel Aufwand über die Bühne gehen soll. Dort seien Gentechnik und Atomkraft „nahtlos neben Ökodörfern und Windanlagen“ zu finden. „Kann eine Veranstaltung in dieser Größenordnung sozial und ökologisch verträglich sein?“, fragen die OrganisatorInnen im Einladungs-Flyer.
Die Auseinandersetzung mit dem Expo-Konzept wird in diesem Jahr Schwerpunktthema sein. Höhepunkt soll eine im Rahmen des JUKß organisierte öffentliche Diskussionsveranstaltung werden, an der am 30. Dezember neben erklärten Expo-GegnerInnen und -befürworterInnen auch VertreterInnen von Nichtregierungsorganisationen teilnehmen werden, die sich kritisch an der Expo beteiligen wollen.
In Workshops und Arbeitsgruppen soll außerdem die gesamte Themenpalette der Ökologiebewegung vom Atomausstieg bis zu Müllvermeidungskonzepten abgehandelt werden. Beliebter als Diskussionsveranstaltungen sind beim JUKß traditionell die Mitmach-Workshops. Da werden Windräder gebastelt oder Nistkästen für Vögel gebaut, während sich andere in Kletterkursen auf zukünftige Robin-Wood-Aktionen vorbereiten.
Mit diesen breit gefächerten Konzept hat der JUKß allen Unkenrufen zum Trotz immer wieder neue UnterstützerInnen und TeilnehmerInnen gefunden. Dabei stand die Existenz des Öko-Events mehr als einmal auf der Kippe. Mal monierten staatliche Behörden die Teilnahme autonomer Anti-AKW-Gruppen, mal sprachen Altökos in der Zeitung Contraste in Bezug auf die Jugendumweltbewegung vom „Ende einer Jugendbewegung“. Doch der JUKß überlebte selbst das turnusmäßige Ende der staatlichen Förderung. Auch in diesem Jahr muss er ohne öffentliche Gelder auskommen.
Nach Einschätzung des JUKß-Teams werden der Millenniumrummel und die basisdemokratischen Kongressstrukturen zu einem Rückgang der TeilnehmerInnenzahlen gegenüber den letzten Jahren führen. Statt der bisher bis zu 1.000 BesucherInnen rechnen sie in diesem Jahr mit ca. 400.
Peter Nowak
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