: Menschenrechte stärker im Visier
Kabinett berät morgen über verschärfte Richtlinien für Rüstungsexporte. Strengere Bestimmungen könnten für Militärhubschrauber gelten ■ Aus Berlin Tina Stadlmayer
Nach dem heftigen Streit um die Lieferung eines Testpanzers an die Türkei wird das Kabinett am Mittwoch über verschärfte Rüstungsexport-Richtlinien beraten. Das bestätigte der stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende und Menschenrechtsexperte Gernot Erler gegenüber der taz. Er geht davon aus, dass die MinisterInnen keine grundsätzlichen Einwände gegen den Entwurf haben werden.
Erler, seine Kollegin Claudia Roth von den Grünen und der außenpolitische Berater des Kanzlers, Michael Steiner, haben die neuen Richtlinien gemeinsam mit den Staatssekretären aus den betroffenen Ministerien ausgearbeitet. Der Sozialdemokrat sagt, in dem Entwurf werde der Einhaltung der Menschenrechte größeres Gewicht als zuvor eingeräumt. Außerdem soll wie bisher das konkrete Produkt und dessen Einsetzbarkeit genau begutachtet werden. Das bedeutet, dass zum Beispiel Hubschrauber, mit deren Hilfe Aufständische beschossen werden könnten, strengeren Ausfuhr-Richtlinien unterliegen als andere Kriegswaffen. Die verteidigungspolitische Sprecherin der Grünen, Angelika Beer, kritisierte, dass in den Richtlinien keine parlamentarische Kontrolle der Rüstungsexport-Entscheidungen des Bundessicherheitsrates vorgesehen sei. Offenbar mussten die Grünen bei den Verhandlungen an diesem Punkt zurückstecken. Sie hatten im Oktober die Entscheidung des Bundessicherheitsrates, einen Testpanzer an die Türkei zu liefern, heftig kritisiert. Nach wie vor sind nach Beers Angaben im Bundessicherheitsrat Kampfabstimmungen möglich. Im Oktober waren Außenminister Joschka Fischer, Grüne, und Entwicklungshilfeministerin Heide Wieczorek-Zeul, SPD, überstimmt worden. Die Grünen hatten gefordert, dass dies nicht noch einmal geschehen dürfe. Scharping weilt zurzeit in der Türkei und ist dort auf Unverständnis gestoßen. „Die Diskussion im Zusammenhang mit den Menschenrechten haben wir nicht verstanden“, sagte der türkische Verteidigungsminister nach dem Treffen.
Scharping sagte, er sei guten Mutes, dass die Bundesregierung die neuen Richtlinien noch vor Weihnachten beschließen werde. Gernot Erler wies jedoch darauf hin, dass auch der Bundessicherheitsrat noch zustimmen müsse. Die Fraktionen und das Parlament dürften nicht über die Richtlinien beschließen. Sie könnten jedoch politische Bedenken anmelden. Er hoffe allerdings, dass dies nicht geschehen werde.
Erler geht davon aus, dass der Bundesregierung ein weiterer Streit ins Haus steht. Die Türkei habe einen Testhubschrauber vom Typ Tiger angefordert und sei an der Lieferung von 145 Exemplaren interessiert. Der Kampfhubschrauber, so Erler, „unterliegt natürlich der Rüstungskontrolle“.
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