: „Diepgen ist der Senator“
■ Der neue Justizstaatssekretär Diethard Rauskolb (CDU) empfindet sich nicht als Steigbügelhalter des Regierenden. Gleichwohl will er keine politische Entscheidung ohne Eberhard Diepgen treffen
taz: Herr Rauskolb, über Ihre Person ist viel spekuliert worden. Wie sehen Sie sich selbst: als starken Staatssekretär oder als Steigbügelhalter von Eberhard Diepgen?
Diethard Rauskolb: Sie werden verstehen, dass ich diese Überschrift in der taz nicht besonders schmeichelhaft fand. Aber sie ist auch in der Sache nicht richtig. Unter einem Steigbügelhalter verstehe ich jemanden, der einem anderen den Bügel hält, damit er aufsteigen kann. Der Regierende Bürgermeister ist oben. Dem muss ich keinen Bügel halten.
Wo sehen Sie den Schwerpunkt ihrer Arbeit?
Es ist nicht meine Art, kaum im Amt, alle möglichen Dinge anzukündigen. Zu inhaltlichen Fragen kann und will ich mich noch nicht äußern.
Bisher wurde das Justizressort von der SPD geführt. Wird es einschneidende Veränderungen geben?
Ich kann mich nur wiederholen. Um dazu etwas zu sagen, ist es noch zu früh.
Werden Sie eigenständig agieren, oder werden alle Vorgänge über Diepgens Schreibtisch wandern?
Der Justizsenator ist der Regierende Bürgermeister. Ich bin der Staatssekretär. Ich bin nur deshalb in einer besonderen Rolle, weil mein Senator nicht hier im Hause sitzt.
Sind Sie eher ein wagemutiger Typ oder sichern Sie sich lieber ab?
Wenn ich etwas für richtig erkannt habe und ich es in meiner eigenen Verantwortung auch entscheiden kann, brauche ich keine Absicherung. Aber Justizsenator ist der Regierende Bürgermeister. Wenn eine Sache hochpolitisch wird, werde ich natürlich eine Abstimmung mit ihm suchen.
Herr Diepgen hat in einem Interview erklärt, Rechtspolitik bedeute in der Regel Bundespolitik. Sind Sie auch dieser Ansicht?
Ich denke, dass der Regierende Bürgermeister das auch nicht nur so sieht. Jede Aussage, die im Rahmen eines Interviews nur sehr kurz sein kann, bietet die Möglichkeit der Interpretation. Wenn man sie auslegt wie einen Gesetzestext, kann das leicht in die Irre gehen.
Gegen die Eingliederung des Justizsressorts in die Senatskanzlei gab es massive Kritik von Richtern, Staats- und Rechtsanwälten. Hat Sie das beeindruckt?
Mich beeindruckt zunächst jede Kritik und gibt mir Anlass zum Nachdenken. Hier kann ich sie unter psychologischen Gesichtspunkten durchaus verstehen, weil jeder Bereich seinen eigenen „Hafen“ haben will. Inhaltlich war das Ganze aber überzogen. Die richterliche Unabhängigkeit ist ein Verfassungsgut, unabhängig davon, wer das Justizressort leitet und wo es angesiedelt ist.
Die Kritiker sind der Meinung, dass speziell die Justiz eine eigenständige politische Stimme im Senat braucht.
Ich bin auch nicht glücklich über die Lösung. Ich hätte mich gefreut, wenn die CDU fünf Senatsmitglieder gestellt hätte und die SPD drei. Wenn der Koalitionspartner aber Schwierigkeiten hat, bei der Verteilung der Senatsressorts eine andere Arithmetik zu akzeptieren, kommt eben eine solche Lösung heraus.
Haben Sie versucht, die Wogen zu glätten?
Die Meinungsfreiheit ist ein hohes Gut. Ich bin bereit, solche Äußerungen hinzunehmen. Wenn ich darauf angesprochen werde, bringe ich meine Meinung aber in der gebotenen Deutlichkeit zum Ausdruck.
Wie stehen Sie zu der Spritzenvergabe an drogenabhängige Gefangene? .Als Gesundheitsstadtrat von Tiergarten haben Sie in diesem Punkt immer eine harte Haltung vertreten.
Als Stadtrat habe ich nur zu der Frage der Einrichtung von Druckräumen Stellung genommen. Dabei habe ich immer die geltende Rechtsordnung aufgezeigt, wonach das alles strafbar ist. Was die Spritzenvergabe in den Haftanstalten angeht, kann ich nur sagen, dass wir das bestimmt nicht über Nacht abschaffen werden. Dem steht bereits die Koalitionsvereinbarung entgegen, die vorsieht, dass der Modellversuch zu Ende geführt und anschließend ausgewertet werden soll. Aber letztendlich ist das eine von den hochpolitischen Entscheidungen, die der Regierende Bürgermeister treffen muss.
Trifft es zu, dass Sie zum so genannten Diepgen-Flügel gehören?
Ich rechne mich keiner bestimmten Gruppierung in der CDU zu. Aber ich halte Herrn Diepgen für den derzeit kompetentesten Politiker der Berliner CDU.
Interview: Plutonia Plarre
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