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Im Namen der Menschenrechte

Richtlinien für Rüstungsexporte sollen menschenwürdiger als bisher sein – aber dem Waffenhandel nicht schaden

Berlin (taz) – Die rot-grüne Regierungskoalition hat sich auf verschärfte Richtlinien für Rüstungsexporte geeinigt. Das teilten der außenpolitische Kanzlerberater Michael Steiner, die menschenrechtspolitische Sprecherin der Grünen, Claudia Roth, und Gernot Erler (SPD) gestern in Berlin mit. Nach ihren Angaben wird in dem Entwurf der Richtlinien, den der Kanzler bereits billigte, der aber noch vom Bundeskabinett und dem Bundestag verabschiedet werden muss, den Menschenrechten im Empfängerland von Rüstungsgütern mehr Beachtung geschenkt als in der Vergangenheit.

Rüstungsexporte werden in Zukunft grundsätzlich ausgeschlossen, wenn der Verdacht besteht, die Waffen könnten in den Empfängerländern zur internen Repression und systematischer Verletzung der Menschenrechte missbraucht werden.

Nach dem Koalitionskrach um die Lieferung eines Leopard-II-Panzers zu Testzwecken an die Türkei im Oktober geriet die Vorstellung der Richtlinien zur Stunde des selbstgefälligen Schulterklopfens. Für Claudia Roth ist es ein „erhebender Moment“, der die rot-grüne Rüstungsexportpolitik berechenbar mache. Für Michael Steiner sind die Richtlinien eine „weitere koalitionspolitische Erfolgsentscheidung“. Und für Gernot Erler sind sie der Beweis, „wie aus einer schwierigen Ausgangsposition etwas Gutes wird“.

In Zukunft werden die möglichen Empfängerländer von Rüstungsgütern in zwei Gruppen aufgeteilt. Der ersten Gruppe gehören nach Angaben Steiners alle Nato- und EU-Staaten sowie Australien, Japan, Neuseeland und die Schweiz an. Genehmigungen für den Rüstungsexport in diese Länder sollen in der Regel erteilt werden, das Verbot die Ausnahme sein. Trotzdem gelten auch für diese Länder neben den Menschenrechtskriterien der EU-Verhaltenskodex und die Sicherung des Endverbleibs von Rüstungslieferungen. Kriterien, die bei Lieferungen an das Nato-Land Türkei von Bedeutung sind. Dazu Steiner: „Die gegenwärtige Menschenrechtslage lässt eine Lieferung von Panzern nicht zu. Wir wünschen uns allerdings eine Änderung in der Türkei, die das dann ermöglicht.“

Der zweiten Gruppe gehören alle übrigen Staaten an. Bei diesen Ländern soll die Genehmigung der Exporte die Ausnahme sein. Um künftig mehr Transparenz der Entscheidungen des Bundessicherheitsrates zu gewährleisten, soll dieser dem Parlament einen jährlichen Bericht vorlegen.

Claudia Roth legte indes Wert auf die Feststellung, dass die Richtlinien keine bündnisgrünen seien, da sie sich mehr Restriktionen hätte vorstellen können. Allerdings diente eine Überarbeitung der Exportgrundsätze von 1982 erstmals nicht der Lockerung, sondern einer erkennbaren Verschärfung. Grundlage der Prüfung der Menschenrechtslage werde nun nicht mehr nur der Lagebericht des Auswärtigen Amtes sein. Vielmehr würden bei der Beurteilung auch Erkenntnisse der UN, der OSZE, des Europarates sowie internationaler Menschenrechtsorganisationen berücksichtigt.

Angetan ist Roth auch davon, dass bei Nicht-Nato-Staaten künftig stärker darauf geachtet wird, inwieweit die nachhaltige Entwicklung der Länder durch unverhältnismäßige Rüstungsausgaben beeinträchtigt wird.

Steiner setzte der Begeisterung indes etwas Realpolitik entgegen: Menschenrechtsverstöße schließen Waffenexporte auch in Zukunft nicht aus. „Natürlich geht es darum, ob das einzelne Trumm zu Menschenrechtsverletzungen dienen kann.“ Sprich: Kriegsschiffe können auch weiterhin an die Türkei geliefert werden, da sie nicht zur Unterdrückung der Kurden in den Bergen eingesetzt werden können. Gleichzeitig signalisiert Steiner Entwarnung an die Rüstungsindustrie: Der Entwurf gebe Vorgaben für die Zukunft. Beeinträchtigungen bestehender Verträge und der Kooperationsfähigkeit der Industrie werde es nicht geben.

Eberhard Seidel

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