: Ab April für jeden Bahnhof einen Betreuer
Die BVG verabschiedet sich von ihrem Konzept der personenfreien U-Bahnhöfe
In Zukunft soll es kaum noch menschenleere U-Bahnhöfe geben. Das jedenfalls sieht ein neues Konzept der Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) vor, das BVG-Sicherheits-Chef Horst Winkler vergangene Woche präsentiert hat. Auf fast allen U-Bahnhöfen sollen sich ab April so genannte Bahnhofsbetreuer um die Fahrgäste kümmern, allerdings nur von 6 bis 22 Uhr. Dafür sind 350 BVG-Beschäftigte vorgesehen, die einen Anstecker mit der Aufschrift BVG-Service am Revers tragen. Geplant ist, die Einsatzzeiten auszuweiten. Um alle Bahnhöfe während der gesamten Betriebszeit zu betreuen, wären insgesamt 700 Service-Kräfte nötig.
Zu tun haben die Bahnhofsbetreuer freilich nicht viel. Sie sollen vor allem eines machen: da sein. Nebenbei werden sie orientierungslosen Fahrgästen den Weg zeigen, die Fahrkartenautomaten kontrollieren oder auch mal einem alten Menschen oder einer Mutter mit Kinderwagen die Treppe hochhelfen.
Bevor es losgeht, werden die künftigen Betreuer von Polizisten und Psychologen ausgebildet. Ganz oben auf dem Programm steht ein Deeskalationstraining. In Konfliktfällen sollen sich die Bahnhofsmitarbeiter „zurückhaltend verhalten“, aber auch „durchsetzungsfähig“ sein.
Die BVG verabschiedet sich damit prinzipiell vom Konzept der personenfreien Bahnhöfe. In den vergangenen Jahren waren die 1.100 Zugabfertiger aus Kostengründen abgeschafft worden, heute geben sich die U-Bahnfahrer selbst das Okay zum Abfahren. Von mehr als 150 U-Bahnhöfen werden heute nur noch 24 von den netten Kollegen aus den Glaskästen betreut.
Bei der BVG häuften sich die Beschwerden der Fahrgäste, die sich auf den zu bestimmten Tageszeiten verwaisten Bahnhöfen unsicher fühlten, obwohl die Zahl der registrierten Gewalttaten im Nahverkehr seit Jahren kontinuierlich sinkt. Gegen das steigende Unsicherheitsgefühl der BVG-Nutzer halfen auch nicht die überall eingerichteten Notrufsäulen, die flächendeckende Videoüberwachung und die Wachschutzpatrouillen. Auch die so genannten Bahnhofsmanager, zuständig für sechs bis acht Stationen, konnten keine Abhilfe schaffen.
Dass das Unsicherheitsgefühl durchaus aus tatsächlichen Ereignissen resultieren kann, zeigt ein Vorfall aus der vergangenen Woche. Auf dem U-Bahnhof Hansaplatz in Moabit kam es zu einer Messerstecherei zwischen Jugendlichen – in unmittelbarer Nähe einer Notrufsäule. Die Augenzeugin traute sich nicht, vom Bahnhof über die Säule Hilfe zu holen. Wertvolle Zeit ging so verloren. Richard Rother
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