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Algerien bekommt eine handverlesene Regierung

Der Wirtschaftsliberale Ahmed Benbitour soll künftig die Geschicke des Landes lenken

Madrid (taz) – Acht Monate war Algeriens Präsident Bouteflika nicht in der Lage, eine neue, ihm genehme Regierung zu ernennen. Teile der Armee blockierten, hieß es in der Presse. Jetzt konnte sich der Staatschef anscheinend mit allen Fraktionen einigen. Am Donnerstag trat der alte Regierungschef Smail Hamdani zurück, am Freitag stellte der neue Ministerpräsident Ahmed Benbitour sein Kabinett vor.

Neben der ehemaligen Einheitspartei FLN, der zur Unterstützung von Bouteflikas Vorgänger Liamine Zéroual gegründeten National-Demokratischen Versammlung RND und der islamistischen Gesellschaftlichen Bewegung für den Frieden (MSP), die bereits die alte Regierung bildeten, sind jetzt vier weitere Parteien in der Koalition vertreten. Neben der islamistischen an-Nahda regieren künftig auch die Versammlung für Kultur und Demokratie (RCD), die Nationale Republikanische Allianz (ANR) und die Algerische Erneuerungspartei (PRA) mit. Sie setzten bisher auf eine rein militärische Lösung des in Folge des Verbotes der Islamischen Heilsfront (FIS) 1992 entstandenen Konflikts. Die breite Koalition soll das Programm von Präsident Bouteflika zur nationalen Aussöhnung umsetzen.

Der Wirtschaftswissenschaftler Benbitour gehört keiner Partei an. Die Hälfte seiner Minister sollen von Präsident Bouteflika selbst ausgesucht worden sein, eine Aufgabe, die laut Verfassung dem Regierungschef zufällt. Vor allem bei Wirtschaft und Energie – Algerien lebt zu 95 Prozent vom Erdölexport – sowie bei der Innen- und Justizpolitik kann sich Bouteflika fortan auf enge Vertraute stützen.

Benbitour soll die Wirtschaft wieder ankurbeln. Erfahrung mit der Krise hat der neue Ministerpräsident, unumstritten ist er nicht. Mitte der 90er-Jahre handelte er mit dem Internationalen Währungsfonds ein Umschuldungsprogramm aus. Für die einen gilt der Wirtschaftsliberale damit als der Retter des Landes vor dem Bankrott, für die anderen ist er einer der Hauptverantwortlichen für die soziale Misere.

Neben der Wirtschaft warten auf die neue Regierung weitere schwierige Aufgaben. So erwartet man, dass Bouteflika in den kommenden Monaten versuchen wird, Staatsapparat und Streitkräfte zu reformieren. Ob er dazu stark genug sein wird, hängt nicht zuletzt davon ab, ob seine Aussöhnungspolitik Erfolg hat. Am 13. Januar läuft das Gesetz zur Zivilen Eintracht aus, das eine Amnestie beziehungsweise mildere Bestrafung für alle militanten Islamisten vorsieht, die ihre Waffen freiwillig niederlegen. Bereits jetzt zeichnet sich ab, dass Tausende diesem Nachruf nicht nachkommen. Die radikalen Bewaffneten Islamischen Gruppen (GIA) haben seit Beginn des Fastenmonats Ramadan am 9. Dezember über 100 Menschen bei Massakern getötet. Am vergangenen Freitag wurde auf der Nationalstraße von Algier nach Oran ein Minibus gestoppt. 28 Menschen wurden getötet, über zehn verletzt. Reiner Wandler

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