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Keine Chance auf Bildung ■ Wiedereinstieg mit Hindernissen
Du sollst was aus deinem Leben machen, nicht schmarotzen, sondern dich bilden und arbeiten. Geh in die Schule und suche dir einen vernünftigen Job!“, sagen sie.
Doch die Realität sieht anders aus. Wer schon einen Haupt- oder Realschulabschluss hat und mit 16 Jahren aus dem schulpflichtigen Alter raus ist, dem werden Steine in den Weg gelegt. Wer die Schule beendet hat und nach einer längeren Pause doch noch einen höheren Abschluss machen will, hat kaum eine Chance. Nur mit einer abgeschlossenen Lehre oder mindestens drei Jahren Berufserfahrung darf man das Abitur auf dem zweiten Bildungsweg nachholen. Wer diese Bedingungen nicht erfüllt, für den bleiben nur die Privatschulen. Aber wer kann die schon bezahlen.
Für Jugendliche, die nicht mehr bei den Eltern leben oder auf deren Unterstützung nicht zählen können, ist es noch schwerer: Wenn die Jugendlichen Sozialhilfeempfänger sind, brauchen sie zuerst eine Genehmigung des Sozialamtes, um überhaupt noch einmal zur Schule gehen zu dürfen. Hat man diese Erlaubnis, muss man Bafög beantragen. Wird der Antrag abgelehnt, erhält man weiterhin Sozialhilfe. Wie man die Schule finanziert, ist das eigene Problem. Um das Schulgeld bezahlen zu können, wird man zum Sozialhilfebetrug gezwungen, da man nebenher arbeiten muss. Dem Sozialamt muss man dies verschweigen, weil einem der Lohn sonst von der Sozialhilfe abgezogen wird.
Das Arbeitsamt und das Sozialamt sitzen einem im Nacken, arbeiten zu gehen oder sich eine Lehrstelle zu suchen. Der Wunsch, das Fachabitur zu machen, um später zu studieren oder bessere Chancen auf dem Arbeitsmarkt zu haben, wird missachtet, ohne dass Alternativen angeboten werden. Man wird gezwungen, eine Ausbildung anzufangen, egal welche. Doch wer eine Ausbildung beginnt, die ihm nicht gefällt, verliert schnell das Interesse. Ohnmächtig muss man zuschauen, wie man als Akte, nicht als Mensch betrachtet wird und die eigenen Pläne und Träume nicht verwirklichen darf. Man tritt auf der Stelle und hat keine Perspektive. Besser wäre es doch, wenn man bildungswilligen Jugendlichen auch nach längerer Pause eine zweite Chance gäbe.
Snoopy/muftie
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