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Die Informationsarchitekten

Sag Hallo zur Dienstleistungsgesellschaft: Die HdK will ihre Studenten „managementfähig“ machen und richtet einen Studiengang für „Electronic Business“ ein. Darüber freut sich die Privatwirtschaft ■ Von Sebastian Handke

In diesem Semester findet an der Hochschule der Künste eine Ringvorlesung statt, in der Referenten aus „Topunternehmen die Zukunft des globalen Marktes“ aufzeigen sollen. Sie ist nur der Vorbote eines im Herbst 2000 zur Gründung anstehenden Aufbaustudiums „Electronic Business“. Der Studiengang entsteht in Kooperation mit dem in Berlin neu gegründeten Institute for Electronic Business (IEB), ein Forschungsinstitut, das zur „Innovationsdrehscheibe zwischen Wissenschaft, Herstellern und Anwendern“ werden soll und mit 5 Millionen Mark aus der Privatwirtschaft finanziert ist. Dr. Carsten Busch, an der HdK für das neue Studienfach zuständig, lobt die Zusammenarbeit als „Lehrangebot, das auf die Dienstleistungsmethoden der Zukunft“ ausgerichtet ist.

Für den Mittelstand nimmt nicht nur die Bedeutung des Internets insgesamt zu. Auch die Funktion ändert sich: vom Eigendarstellungsmedium beziehungsweise dem direkten Verkauf über das World Wide Web („business-to-consumer“) zu einem Kanal der Organisation von Kommunikations- und Kooperationsprozessen zwischen den Unternehmen („business-to-business“).

Für dieses Informationsmanagement herrscht nach einhelliger Meinung aller Beteiligten ein akuter Mangel an Nachwuchs, der die entsprechend weit gefächerten Anforderungen erfüllen kann. Der neue Studiengang möchte Abhilfe schaffen: Mit der Verbindung von BWL, Informatik und Gestaltung sollen, so Rainer Heueis vom IEB, „managementfähigen Informationsarchitekten“ ausgebildet werden.

Dabei ist sich die Industrie wohl selbst nicht sicher, ob sie solche Absolventen wirklich haben will. Denn es gibt für dieses Feld strukturell wichtige „Ausbeutungsverhältnisse“, die sich nur mit jenen Experten aufrechterhalten lassen, wie sie für die neuen Medien typisch sind und die auf angrenzenden Gebieten ein Wissensdefizit aufweisen. Ein Zuviel an Wissen könnte ein Zuviel an Selbstbewusstsein zur Folge haben.

Für den Kulturwissenschaftler Ekkehard Binas, der das Konzept für einen vergleichbaren Studiengang für den Bereich der Musikindustrie entwickelt hat, liegt hier der wichtigste Vorteil für den Studenten. Die Politik reagiert auf neue Entwicklungen nur mit Gesetzeskosmetik und nicht „kulturell strategisch“ (Binas), was beispielsweise die Erprobung und Etablierung solcher Studiengänge bedeuten würde. Das Kompetenzdefizit zu beheben hat also auf beiden Seiten seine Vorteile: Für die Unternehmen verbessert sich die Ressourcenlage am Arbeitsmarkt, der Kommunikationsexperte kann sich besser und selbstbewusster am Markt platzieren.

Die Frage aber bleibt, ob so etwas an der Kunsthochschule seinen Platz hat. Bei der Ausstattung von Studiengängen werden solche Formen der Kooperation längst praktiziert. Über das IEB wird nun aber im Gewand eines Forschungsinstitutes ausgedehntes Sponsoring gewissermaßen über die Hintertüre hereingelassen. Es entsteht die nicht ganz unverständliche Sorge, an der Kunsthochschule – als einem Ort mit staatlich garantiertem Exotenstatus – falle das Böse ein in Gestalt von Marktlogik und Betriebswirtschaftslehre. Die anvisierte Zielgruppe, Studenten der Fachbereiche Gestaltung und Kommunikation, steht dem Projekt denn auch mit Skepsis gegenüber.

Auf der einen Seite rennt man mit einem Lehrangebot dieser Art offene Türen ein. Aber die Studenten machen sich andererseits Sorge um die Zweckorientierung von Forschung und Lehre für die Privatwirtschaft, die sich ganz nebenbei durch die Förderung von Diplomprojekten eine ziemliche preiswerte externe Abteilung für Research and Developement halten kann. Die Ringvorlesung von diesem Semester jedenfalls wird von einigen als erweiterte Werbeveranstaltung für die beteiligten Unternehmen empfunden.

Laut einer Umfrage der Unternehmensberatung Pricewaterhouse-Coopers (PwC) wollen deutsche Unternehmen zwar an E-Commerce verdienen, üben sich bei den Investitionen aber eher in Zurückhaltung. Da lässt man sich bei der Ausbildung der Arbeitskräfte natürlich gerne vom Staat unter die Arme greifen: gemeinsam finanzierte Eliteakademien als eine Form des Outsourcing unter Beteiligung des Staates. Ein Modell, das seine Tauglichkeit bereits unter Beweis gestellt hat.

Aber muss das an einem Ort geschehen, der sich durch die Freiheit der Lehre definiert und der sich diesen Freiraum vom Staat mit erheblichen finanziellen Mitteln garantieren lässt? Man sollte sich zumindest im Klaren darüber sein, dass man den traditionellen Status einer (Kunst-)Hochschule aufgibt. Neue Studien- und Finanzierungsmodelle sind dringend nötig. Aber auch wenn es schnell gehen soll – allzu unreflektiert sollten diese sich nicht einschleichen in die alten Institutionen.

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