: Fahrzeuge im Lexikon
Die Lexikonitis grassiert und schafft unsinnige Sammelsurien
Nachschlagewerke werden von A bis Z zusammengeschustert, ohne erkennbaren roten Faden. Die Rezeptur ist einfach: Man finde als Klammer ein halbwegs pfiffiges Thema, nehme einen Herausgeber, der einleitend die Daseinsberechtigung verfasst, suche ein paar Autoren mit flotter Schreibe – und fertig ist das „Lexikon“.
Das „Lexikon der wunderbaren Fahrzeuge“ ist keine Ausnahme. Bei Entnahme von Stichproben entpuppt sich das „praktische Handbuch der imaginären Fahrzeuge“ als beliebiges Sammelsurium. Nicht nur imaginäre, sondern alle möglichen wirklichen wie unwirklichen Bewegungstechniken kommen vor: das Augenzwinkern, mit dem die Bezaubernde Jeannie aus der gleichnamigen TV-Serie in Nullkommanichts den Ort wechselt, wie die 1817 jungfernfahrende Draisine, auf der sich heute in der Uckermark Ausflügler abstrampeln; der sagenhafte Hexenbesen wie die von Tarzan benutzte Liane als „naturwüchsiges Nahverkehrsmittel des tropischen Regenwaldes“ und die Wuppertaler Schwebebahn, schon 1845 von Marx & Engels in „Die Deutsche Ideologie“ verewigt.
Die Auswahl der Stichwörter ist – natürlich – willkürlich. Doch warum fehlen gerade die rollende Legende Vespa oder der altehrwürdige Heißluftballon? Ein Rätsel bleibt mitunter auch die Gewichtung: Dem beliebten Autoscooter werden ganze drei Druckzeilen eingeräumt („Elektrisch betriebener Zweisitzer, der auf Jahrmärkten in spielerischer Weise die Dorfjugend mit den Freuden des Individualverkehrs vertraut macht“), während der Mercedes-Silberpfeil auf zweieinhalb Seiten abgefeiert wird.
Trotz alledem: Manche Lexikoneinträge sind witzig formuliert wie die Liebeskutsche, „in der sich noch nicht bei jedem zarten Zusammenstoß ein Airbag aufblies“, oder der „lebenslang zu Reparturwerkstätten Kontakt“ haltende Montagswagen, Werners Motorrad („Moderatt“), der Comicfigur röhrender Untersatz, oder der Zug nach nirgendwo, „von Christian Anders 1972 besungenes Schienenfahrzeug mit buddhistischer Grundtendenz“. Und wer ein fantasievolles Verkehrsmittel sucht, der sollte unter Ornithopter oder Schwanennachen nachschauen.
Günter Ermlich Hartmut Kasper (Hrsg.): „Lexikon der wunderbaren Fahrzeuge“. Reclam Verlag, Leipzig 1999, 221 S., 16,90 Mark
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