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„Knin wird stets zu Kroatien gehören“

Im einst zwischen Serben und Kroaten umkämpften Knin wirbt die Regierungspartei HDZ mit nationalen Parolen. Um Stimmen der serbischen Rückkehrer buhlen drei serbische Parteien. Sie fordern Minderheitenrechte ■ Aus Knin Erich Rathfelder

Dragan ist 35 Jahre alt. Doch er sieht älter aus. Sein Haar ist schon grau, Anspannung spiegelt sich in seinem Gesicht. Dragan ist Serbe und lebt in Knin, einer kroatischen und ehemals mehrheitlich von Serben bewohnten Stadt in den Bergen Dalmatiens, Hauptstadt der Krajina. Um Knin wurde von 1991 bis 1995 Krieg geführt.

Die Stadt hat ihr Antlitz verändert. Die meisten Gebäude sind in Stand gesetzt, die Geschäfte voller Waren, eine neue Schule ist gebaut. In den Hinterhöfen spielen wieder Kinder. Die noch vor drei Jahren das Straßenbild dominierenden Männer, ehemalige kroatische Kämpfer mit ihren Uniformen, sind verschwunden.

„Es ist ruhiger geworden,“ sagt Dragan. Er ist einer der wenigen, die sowohl die serbische Besatzung 1991 wie auch die Aktion „Sturmwind“ der kroatischen Armee, als die Krajina 1995 von den Kroaten zurückerobert wurde, überlebt hat und in der Stadt geblieben ist. 1991 wurden die Kroaten vertrieben, 1995 die Serben.

Mit seiner kroatischen Frau und den drei Kindern hat er all dies durchlebt. Ganz heimisch fühlt er sich in seiner Stadt aber nicht. Denn die meisten Bewohner sind Flüchtlinge aus Bosnien, Kroaten aus Banja Luka oder Prijedor, vertrieben von den serbischen Machthabern in der „Republika Srpska“ in Bosnien. Erst seit zwei Jahren mischten sich unter die unbekannten auch wieder bekannte Gesichter. Es sind Serben, die aus Jugoslawien oder der Republika Srpska zurückgekehrt sind, 14.000 bis 15.000. Niemand weiß das genau. Nur dass 108.629 der 300.000 vertriebenen Serben seit 1995 wieder in Kroatien leben. Und weitere Zehntausende inzwischen den kroatischen Paß besitzen.

Auf dem Turm der kroatischen Königsburg weht die 20 Meter lange Fahne der Kroaten. Die Stadt ist gepflastert mit Plakaten der kroatischen Regierungspartei HDZ. Demonstrativ hat die Partei ihre zentrale Wahlveranstaltung nach Knin verlegt. Knin gehört zu Kroatien, ist die Botschaft. Und wird es bleiben, selbst wenn die meisten Serben zurückgekehrt sind. Bei den Wahlen am 3. Januar sind aber alle Bürger aufgerufen, ein neues Parlament zu wählen. Auch die kroatischen Serben. Selbst jene Serben aus Kroatien, die sich noch in der Bundesrepublik Jugoslawien oder in der bosnischen Republika Srpska aufhalten.

Snezana F. ist eine der 3.000 serbischen Flüchtlinge, die im Juli mit ihren drei Kindern aus dem Kosovo zurückgekehrt ist. Ihre alte Wohnung kann die Zahntechnikerin noch nicht wieder beziehen, „da sitzen jetzt Kroaten aus Bosnien drin“. Doch sie hat einen Unterschlupf bei Freunden gefunden. Die Kroaten hätten versprochen wegzuziehen, wenn sie ihr Haus in Banja Luka zurückerhalten hätten. Mit den neuen Gesetzen in Bosnien kann dies schon bald sein, hofft die 38-Jährige.

„Im Kosovo war es schlimm, wir lebten in Priština in einem Hotel. Wir sind mit den jugoslawischen Truppen raus und in Niš in einer Schule untergekommen. Dann habe ich zum UNHCR Kontakt gesucht und bin nach Kroatien zurückgekommen.“ Jetzt lebt sie von humanitärer Hilfe und hofft, daß mit einem Regierungswechsel in Zagreb sich die Verhältnisse in Kroatien normalisieren.

„Europäische Standarts“ fordern alle drei serbischen Parteien, die bei den Wahlen in Kroatien angetreten sind. In Fernsehsendungen werden die Parteien vorgestellt, auch die „Serbische Volkspartei“. Deren Vertreter fordern offensiv die Rechte ihrer Minderheit ein. Sie distanzieren sich von den Kriegsverbrechern, „die einen Namen haben, nicht anonym sind“. Die Serben wollen ihren Platz in Kroatien als normale Bürger zurückgewinnen. Und haben endgültig die Realität des kroatischen Staates anerkannt.

Daran zweifelt Marija Maloca. Die 65-jährige Bäuerin lebt in dem Dorf Kijevo, kaum 10 Kilometer von Knin entfernt. Kijevo ist ein kroatisches Dorf, hier wurde am 26. August 1991 erstmals die Taktik der serbischen Armeen, die der „ethnischen Säuberungen“, erprobt. „Sie beschossen uns mit Artillerie, und dann kamen die Soldaten. Wir flohen in die Wälder und haben uns dann an die Küste durchgeschlagen,“ erzählt die Frau. Kijevo wurde dem Erdboden gleichgemacht. „Die serbische Propaganda hat behauptet, dass hier in Kijevo 3.000 Kosovoalbaner lebten“, erinnert sich Marija.

Vier Jahre lang lebten sie und ihre Familie in Zagreb in einem Flüchtlingslager. Nach der kroatischen Offensive 1995 kamen sie zurück. „Wir haben von vorne angefangen und alles wieder aufgebaut“, sagt Ante, ihr Mann. Unter der Dominanz der Serben hätten Kroaten vor dem Krieg keinen Job bekommen, deshalb seien viele ausgewandert. „Jetzt müssen sie zu uns kommen, um eine Arbeit zu erhalten“, schmunzelt Marija. „Wir wollen Freiheit und Sicherheit“, sagt sie und lässt keinen Zweifel daran, dass sie mit der Regierungspartei sympathisiert.

Dragan hingegen wird die Sozialdemokraten wählen. „Nur eine neue Regierung kann dem Land Hoffnung geben und Aufschwung.“ Wenn es mehr Jobs gibt, wird die Reintegration der Serben leichter werden, meint er.

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