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Nicht alle Tanker sind 2000-tauglich

Die deutschen Seefahrtsbehörden glauben, alles unter Kontrolle zu haben. Wattenmeerschützer haben da ihre Zweifel

„Wenn die Ruderanlage wegen des Millennium-Bug versagt, dann kann ein Frachter in die Schleuse krachen.“

Berlin (taz) – Tanker und Frachtkähne dürfen in der Silvesternacht in deutsche Hoheitsgewässer einfahren. Die Bundesrepublik habe sich aus „juristischen Gründen“ dazu entschlossen, erläutert Michael Wempe von der Wasser- und Schifffahrtsdirektion (Nord) in Kiel. Da die Gefahren „wenig konkret“ seien, wäre eine Schließung juristisch angreifbar.

Eine Reihe konkreter Probleme kann sich dagegen Jörg Schwinning, Betreiber des International-Safty-Management-Centers für Seeschifffahrt, vorstellen: „Wenn die Ruderanlage wegen des Millennium-Bug versagt, kann ein Frachter in die Schleuse krachen.“ Auch könnten Navigationssyteme den falschen Standort anzeigen, ohne dass dies für den Steuermann erkennbar sei.

Bei Tankern wird von der Ladelucke bis zur Antriebsmaschine alles von Computer-Chips gesteuert. Viele ältere Chips arbeiten mit zweistelligen Jahreszahlen. Auf den 31. 12. 1999 folgt dann möglicherweise der 1. 1. 1900. Auswirkungen davon können Fehlsteuerung und Ausfälle sein: „Es kann passieren, dass die Schiffsmaschine stoppt“, erklärt Wolgang Leue, Ältermann der Lotsenbrüderschaft Elbe. Die Lotsen haben sich auf technische Ausfälle vorbereitet. Sie werden auf der Brücke stehen, um das Ruder auf Notsteuerung umzusetzen. In den Maschinenräumen halten sie sich mit Taschenlampen ausgerüstet für den Handbetrieb bereit.

Um in der kommenden Nacht Havarien in der Deutschen Bucht zu vermeiden, gibt es eine zusätzliche Meldepflicht: Die Kapitäne müssen per Fax oder Funk nachweisen, dass ihre Bordelektronik fürs Jahr 2000 taugt. Doch anders als bei Flugzeugen, deren Elektronik nur einen Hersteller aufweist, kommen Radar, Kompass und Satellitennaviagtionsgerät bei Schiffen aus unterschiedlichen Firmen. „Nur wenige Hersteller konnten eine Jahr-2000-Tauglichkeit bestätigen, viele haben im Konjunktiv geantwortet“, erklärt Sicherheitsexperte Schwinning. Manche Firmen existieren auch nicht mehr. Dann müssen die Eigner ihre Instrumente selbst überprüfen. Auch da gibt es Probleme: „Wir konnten nicht bei allen Geräten einen Testlauf mit Datumsvorstellung durchführen,“ erklärt Walter Bartscher vom Bundesamt für Seeschifffahrt. Deshalb werden die amtseigen Schiffe in der Millenniumsnacht sicherheitshalber am Pier bleiben.

Im Bundesverkehrsminsterium lautet die Millenniums-Parole: Keine Panik, alles unter Kontrolle. „Wenn ein Seenotfall eintritt, dann sind alle Stationen besetzt“, beschwichtigt Rolf Dittrich, Sprecher des Ministeriums. Zudem sei die Wahrscheinlichkeit von Havarien nicht höher als sonst. Erst vor vier Wochen sei ein Schiff vor Sylt in Seenot gekommen. Eine solch defätistische Einstellung teilen die Schützer des Wattenmeers nicht. „Auf See fahren viele Seelenverkäufer mit veralteter Technik“, erklärt Lothar Koch, Sprecher der Schutzstation Wattenmeer in Sylt. Havarien von Öltankern zum Jahrtausendwechsel seien deshalb nicht ausgeschlossen. Dass Schiffe mit alter Elektronik wegen der Meldepflicht nicht in die Deutsche Bucht einlaufen dürfen, hilft da wenig. „Entfernungen spielen bei Umweltkatastrophen auf See keine große Rolle,“ erkärt Koch. Das habe die Ölpest an der französischen Küste gerade gezeigt.

Isabelle Siemes

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