: Kammer-Träume
■ Bausenator ist der Prügelknabe der Handelskammer. Auch Lob für Senat
Wenn Handelskammer-Präsident Nikolaus Schües im Bett liegt und von Hamburg träumt, sieht das so aus: Es gibt keine Gesamtschulen mehr, der Transrapid zieht seine Bahn, Autobahnen, wohin man schaut, Gewerbesteuer und Ladenschluss sind abgeschafft, das Demonstrieren in der Innenstadt ist untersagt. Wieder aufgewacht sitzt Schües auf der Bettkante und überlegt, aus dem Traum eine Rede zu machen. Das tut er dann auch und hat sie am letzten Tag des Jahres zur Versammlung eines ehrbaren Kaufmannes in der Börse gehalten.
In der ersten Reihe sitzt die versammelte Senatsschar mit dem Bürgermeister an der Spitze und wird öffentlich vom Redner abgewatscht. Wobei Schües vor der Hamburger Kaufmannschaft in diesem Jahr jedoch die Keule eher in Richtung Bundesregierung schwang. „Wie ein schlechtes Res-taurant“ sei Deutschland von rot-grün geführt worden: „Stets wurde etwas anderes serviert als bestellt war.“ Das Sparpaket erfülle alle Kriterien einer Mogelpackung, das Festhalten am Atomausstieg nannte er „stur“, und der deutsche „Wohlfahrtsstaat“ habe sich „zu einer gigantischen Beglückungsmaschine entwickelt“.
Mit dem Senat verfuhr Schües gnädiger. Der habe großteils „geräuschlos und auch effektiv gearbeitet“. Der Wirtschaftssenator mache sich für den A3XX stark, der Bürgermeister bemühe sich ernsthaft um den Transrapid, und die Sozialsenatorin habe mit ihrer Ausschreibungspraxis „lang gepflegte Tabus gebrochen“.
Wenn da nicht der Bausenator wäre. Eugen Wagner war an diesem Silvestertag der Prügelknabe der Handelskammer. „Wir werden zum Wohle der Hamburger Wirtschaft den Verkehrsentwicklungsplan bekämpfen“, warf Schües Wagner den Fehdehandschuh hin und sicherte sich den längsten Applaus der Veranstaltung. Der Plan erschöpfe sich „in einer Förderung des Zu-Fuß-Gehens“, er sei es wert, „als Silvesterknaller zu verglühen“, und überhaupt „werde Wagners Amtszeit ja nur noch durch die Planungszeit der Straßenbauprojekte übertroffen“. Der Handelskammer-Chef als Büttenredner. Peter Ahrens
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