: Man spricht (nicht) deutsch
■ ... in Bremer Kindergärten. 30 Prozent des dortigen Nachwuchses stammt aus Migranten-Familien. Einzelprojekte in Bremen zeigen erfolgreiche Integrationswege
Melike, Sven, Ahmed und Lena sind beste Freunde und rasen mit ihren Kettkars über die Gehwege des quirly-Kinderhauses. Seit September 1998 verbringen in diesem Gröpelinger Kindergarten 50 Kurze ihre Vor- und Nachmittage. Das Besondere: fast die Hälfte der Jungen und Mädchen sind türkischer Herkunft. Die Folge: Die Köchin beachtet islamische Ernährungsregeln. Nicht nur Weihnachten, auch das Ende des Ramadan wird hier gefeiert - und türkische Lieder gehören zum Repertoire aller Kinder.
Problematisch wird das kunterbunte Miteinander allerdings dann, wenn türkischer Nachwuchs erst kurz vor der Einschulung in den Kindergarten kommt - während zu Hause nur türkisch gesprochen wird. Dann müssen Frauen wie die Erzieherin Sema Özyurt ran: „In solchen Fällen schlagen wir den Eltern vor, in bestimmten Situationen, zum Beispiel beim Einkaufen, nur deutsch mit ihren Kindern zu reden, damit der Kindergarten nicht der einzige deutschsprachige Ort bleibt.“
Ganz anders das Konzept der Spanisch-deutschen Kindergartengruppe „Las Mariposas“, zu deutsch „Die Schmetterlinge“, im Kinderhaus Sielwall. Träger sind die Sprachschule „Casa“ und die evangelische Kirche. Hier achten die Erzieherinnen darauf, dass das Spanische nicht zu kurz kommt: An den Vormittagen wird nur deutsch, nachhmittags spanisch gesprochen. Zwei der 17 Kinder haben spanische Eltern, sechs weitere sind in binationalen Partnerschaften aufgewachsen.
In der bilingualen Kindergruppe sollen ihre Spanischkenntnisse gestärkt werden. Neun Kinder kommen, ohne viel mit dem Mittelmeerland zu tun zu haben. Ihre Eltern lieben die Sprache oder sind vom Ehrgeiz getrieben. Die Kleinen sollen schon im Kindergarten die erste Fremdsprache lernen. Ein weiterer Grund: „Zur Zeit sind zweisprachige Kindergärten einfach Mode.“ sagt Ulrike von Seggern, Leiterin der „Schmetterlinge“. Große Spracherfolge dürfen deutsche Eltern nicht erwarten. „Die Kinder lernen vor allem passiv, das heißt, sie entwickeln ein Gefühl für die Sprache und lernen später schneller.“
Wieder andere Ziele verfolgen die Erzieher des Kinderhauses Kodakistan am Buntentorsteinweg. „Wir möchten, dass die Kinder fremdes Aussehen und Verhalten nicht als etwas Exotisches, sondern Selbstverständliches wahrnehmen.“ sagt Leiterin Meike Rasch. Im Kodakistan, iranisch für „ein Ort, wo Kinder sind“, werden Spiele, Lieder und Feste anderer Kulturen in den Kindergartenalltag integriert. 36 Kinder zwischen 18 Monaten und 10 Jahren besuchen den Multi-Kulti-Hort, der aus einer privaten Krabbelgruppe iranischer, afghanischer und deutscher Eltern entstand. Ein Drittel der Knirpse sind Kinder nicht-deutscher Eltern. Auch eine Erzieherin stammt aus dem Iran, drei weitere leben in binationalen Partnerschaften. Die Verständigung sei kein Problem, so Meike Rasch. Deutsch ist für alle Kinder die Hauptsprache, obwohl einige Kurze auch auf iranisch, spanisch und holländisch plappern können.
Integrationskonzepte, wie sie das quirly-Kinderhaus, die Mariposas und der Kodakistan-Kindergarten verfolgen, sind wichtig - 30 Prozent aller Bremer Kintergartenzöglinge kommen aus Migrantenfamilien. In sozial schwachen Stadtteilen, wie Gröpelingen und Tenever liegt der Anteil noch höher. Das Land Bremen habe die Zeichen der Zeit schon lange erkannt, erklärt Jörg Henschen von der Sozialbehörde. „Wir verfolgen seit mindestens zehn Jahren ein Integrationskonzept.“ Kitas mit großem Migranten-Anteil würden daher mit Fortbildungsangeboten, finanziellen Zuwendungen und einem höheren Personalschlüssel unterstützt.
Ulrike von Seggern von der Sprachschule „Casa“ reicht das nicht, sie wünscht sich einen Austausch zwischen den Projekten. „Da es keine Ausbildung zur multikulturellen Erzieherin gibt, sollten wir unsere Erfahrungen untereinander weitergeben.“ (siehe obenstehender Kasten)
Wiebke Johanning
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