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Schönbohm ist kein Schaf

■ Im Kleinkrieg zwischen der Spaßguerilla und dem ehemaligen Innensenator hat die Justiz ein Machtwort gesprochen. Wer Schönbohm gegen den Vorwurf der Sodomie in Schutz nimmt, bleibt straffrei. Alles klar?

Die Manövergefechte hat der Bundeswehrgeneral a.D., Jörg Schönbohm (CDU), wohlbehalten überstanden. Auch das raue politische Klima in der Hauptstadt konnte ihm während seiner Zeit als Berliner Innensenator nichts anhaben. Nur einen Schatten wird der heutige Brandenburger Innenminister partout nicht los: Er wird von einem Schaf verfolgt.

Die Verantwortung dafür trägt die Justiz, die weder Kosten noch Mühe scheut, eine Kreuzberger Spaßmacherfraktion für eine wenig appetitliche Satire zur Rechenschaft zu ziehen.

Dabei ist es mit der Satire so wie mit dem Geschmack: Man sollte darüber nicht streiten und schon gar nicht richten wollen. In Sachen Schönbohm und Schaf mussten sich vor dem Amtsgericht gestern ein 34-jähriger Student und ein 31-jähriger Erzieher wegen Beleidigung verantworten. Bei der „revolutionären“ 1.-Mai-Demonstration 1998 in Kreuzberg sollen die beiden ein 2,50 mal 1,50 Meter großes Laken als Transparent entfaltet haben, auf dem zu lesen war: „Schönbohm hat noch nie Schafe gefickt“.

Die Polizei kassierte das Laken bei einer Vorkontrolle ein und notierte die Personalien. Später erreichte die beiden ein schriftlicher Strafbefehl, in dem sie von einem Richter auf Antrag der Staatsanwaltschaft zu jeweils 500 Mark Geldstrafe verurteilt wurden. Nachdem der Student und der Erzieher dagegen Einspruch eingelegt hatten, kam es gestern zur mündlichen Verhandlung. Nach einer Stunde wurde der Prozess eingestellt. Die Kosten für das Verfahren trägt die Landeskasse. Nur ihre Anwaltskosten müssen die beiden selbst berappen.

Ausschlaggebend für das Ergebnis war die unwegsame Rechtsmaterie. Denn Beleidigung ist nicht gleich Beleidigung. Vor Gericht hatten sich die Angeklagten darauf berufen, dass der Text auf dem Transparent eine Ehrerklärung für Schönbohm bedeuten sollte. Schließlich hätten in jener Zeit in der Kreuzberger Szene Gerüchte über sodomistische Praktiken des ehemaligen Innensenators kursiert. Geschürt worden seien diese insbesondere aus Kreisen der KPD/RZ. Dieser haltlosen Behauptung habe man auf der Demonstration entgegentreten wollen, weil man dort auch die Urheber des Gerüchtes vermutete, so die Angeklagten.

Um die beiden verurteilen zu können, hätte der Nachweis erbracht werden müssen, dass es sich um eine so genannte Formalbeleidigung handelt. Das heißt: Eine an sich nicht beleidigende Tatsache ist nur deshalb behauptet worden, um jemanden zu beleidigen. Dies hätte das Gericht nach Ansicht von Verteidiger Volker Ratzmann aber nur beweisen können, wenn Jörg Schönbohm als Zeuge zu seinen Sexpraktiken gehört worden wäre.

Bleibt zu hoffen, dass nach der gestrigen Einstellung des Verfahrens endlich Ruhe an der Schönbohm-Schaf-Front einkehrt. Allerdings ist beim Staatsschutz immer noch ein Ermittlungsverfahren gegen die unbekannten Hersteller der Szenezeitschrift Interim anhängig, die im August 1998 auf dem Titelbild eine Fotomontage abgebildet hatten, auf der Schönbohm in eindeutig sexueller Handlung mit einem Schaf zu sehen ist. Der Titel der Nummer lautete: „Schönbohm ist ein Schafsodomist“. Plutonia Plarre

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