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KommentarZwang zum Konsens ■ Gegen die Industrie kann Trittin Endlager nicht stoppen

Eigentlich sollten Jürgen Trittin und Wolfgang Jüttner an einem Strang ziehen. Weder der grüne Bundesminister noch sein SPD-Kollege in Niedersachsen wollen ein Endlager für Atommüll im Schacht Konrad in Salzgitter. Trotzdem werfen sich beide seit Monaten gegenseitig vor, nicht entschieden genug gegen die überflüssige Lagerstätte vorzugehen.

Tatsächlich sind die Interessen der Minister nicht so ähnlich, wie es zunächst erscheint. Jüttner muss lautstark gegen das Endlager sein. Kein Landesumweltminister, nicht einmal einer von der CDU, kann sich die Zustimmung zu einer Atommüllhalde leisten, die nicht zwingend nötig ist. Und bei seinem Protest braucht Jüttner keine Rücksichten zu nehmen. Anders Trittin. Nach vielen politischen Niederlagen ist sein Spielraum eng geworden. Der Grüne muss nun den Eindruck vermeiden, das Atomgesetz einseitig zu Lasten der Industrie auszulegen.

Andererseits wäre eine zügige Genehmigung von Schacht Konrad aber ein Signal des Wohlwollens des Umweltministers gegenüber der Industrie – und Kanzler Gerhard Schröder. Das ist aus Trittins Sicht sogar sinnvoll, denn nach Auffassung seines Ministeriums lässt sich das Endlager auf Dauer ohnehin nur im Konsens entschädigungsfrei verhindern.

Nicht nur das: Der Grüne ist inzwischen zum Konsens verdammt. Bei einem Ausstieg per Gesetzeszwang müsste die Regierung der Industrie drei Jahre Übergangsfrist zugestehen, bis der erste Meiler vom Netz geht. Der Ausstieg würde also nicht mehr vor der Wahl beginnen. Doch Trittins Partei braucht dringend abgeschaltete Reaktoren als Symbol für ihre Ausstiegspolitik. Die Grünen müssen, wie es unter ihren Bundespolitikern scherzhaft heißt, bis 2002 „ein, zwei Skalps am Gürtel hängen haben“.

Dieser Zwang zum Konsens macht die Bundesregierung erpressbar. In diese Lage wäre sie nicht gekommen, wenn sie, wie im Koalitionsvertrag vereinbart, die Verhandlungen in einem Jahr durchgezogen hätte. Doch der Dauerstreit zwischen Werner Müller, Schröder und Trittin um die gesetzlichen Ausstiegsfristen verhinderte das. Auch der Konflikt zwischen Jüttner und Trittin, wer immer juristisch im Recht sein mag, passt in dieses Muster.

Manchmal ist es ganz simpel: Wenn zwei Atomgegner sich streiten, freut sich die Industrie. Matthias Urbach

Tagesthema Seite 3

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