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Abschied von „linker religiöser Erlösung“

■ Neuer Hamburger SPD-Chef: Altonas Bundestagsabgeordneter Olaf Scholz soll Nachfolger des amtsmüden Jörg Kuhbier werden

Der Generationenwechsel an der Spitze der Hamburger SPD wird vollzogen. Der Altonaer Kreisvorsitzende und Bundestagsabgeordnete Olaf Scholz soll nach Informationen der taz hamburg neuer Parteichef werden. Am Montagabend steht der Wechsel auf dem Chefsessel auf der Tagesordnung des Landesvorstands. Die offizielle Nominierung von Scholz noch am Abend gilt als sehr wahrscheinlich.

Der 41-jährige Rechtsanwalt vom linken Flügel würde Nachfolger des amtsmüden Jörg Kuhbier. Der 59-jährige Rechtsanwalt vom linken Flügel will auf dem Landesparteitag im April nicht für eine dritte Amtszeit kandidieren. Offiziell will Kuhbier sich derzeit zu diesem Thema nicht äußern. Er wolle seine „Entscheidung über eine Kandidatur zuerst in den zuständigen Parteigremien“ diskutieren.

Auch andere Mitglieder des Landesvorstandes bleiben wortkarg. Vor Montag gebe es „nichts zu sagen“, so Vize-Parteichefin Dorothee Stapelfeldt. Über Personalien würde zunächst mal intern geredet, begründen andere das sozialdemokratische Schweigegelübde.

Der frühere Hamburger Umweltsenator Kuhbier hatte bereits im vorigen Jahr angedeutet, dass er auf dem Parteitag im April möglicherweise nicht noch einmal kandidieren wolle. Nach sechs Jahren als Parteichef sei es an der Zeit, einen Generationenwechsel einzuleiten. Schon 1994 musste Kuhbier, der ein Jahr zuvor freiwillig aus dem Senat ausgeschieden war, von Spitzengenossen eher überredet als überzeugt werden, den Parteivorsitz zu übernehmen.

Er galt damals als einer der wenigen, die ein ernsthaftes Gegengewicht zum rechten Bürgermeister Henning Voscherau bilden konnten. In seinen beiden Amtszeiten konnte der Eimsbüttler als Integrationsfigur Profil nicht nur in der SPD gewinnen. Auch dem Koalitionspartner GAL gilt Kuhbier, der aus seinen rot-grünen Neigungen nie ein Hehl machte, als verlässlich und vertrauenswürdig.

Olaf Scholz, der zu seinen Parteichef-Ambitionen „keinerlei Kommentar“ abgeben möchte, gilt ebenfalls als Befürworter von Rot-Grün in Hamburg wie im Bund. Bei den Koalitionsverhandlungen in der Hansestadt 1997 erwarb sich der Arbeits- und Sozialpolitiker auch bei GALiern Respekt und Wohlwollen. „Er ist sicher eine Integrationskraft für Rot-Grün“, sagt ein Spitzen-GALier. Bei der Bundestagswahl im November 1998 gewann Scholz im Wahlkreis Altona mit 48,1 Prozent das Direktmandat für den Bundestag. Dort ist er Mitglied im Ausschuss für Arbeit und Soziales, zudem engagiert er sich in den Arbeitskreisen Migration und Türkei.

Der Fachanwalt für Arbeitsrecht, seit 1994 Vorsitzender des als links geltenden SPD-Kreises Altona, sieht sich selbst als pragmatischen Linken, der den Entwurf „konkreter, optimistischer und plausibler politischer Szenarien“ fordert. Zentrale Ziele wie Bürgerrechte, Gleichstellung oder Solidarität könnten Linke nur erreichen, schreibt Scholz in der neuen Ausgabe des Stadtmagazins HH19, „wenn sie sich von dem religiösen Gedanken der Erlösung in einer Gesellschaft jenseits der heutigen verabschieden“.

Träume sind was anderes.

Sven-Michael Veit

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