: Flanellweiche Fallen
Reklamefuzzis behaupten gerne, Werbung präge heute die Trends von morgen. Wenn das stimmen sollte, dann ist es um die Gleichheit der Geschlechter noch mieser bestellt als gemeinhin angenommen. In den Bildern, die die Psychologin Gitta Mühlen Achs in ihrem Buch „Geschlecht bewußt gemacht“ aus Illustrierten, Werbebeilagen von Zeitungen und Versandhauskatalogen zusammengetragen hat, sind die Kerle nach wie vor kernig und wasserabweisend, die Frauen hingegen flauschig und flanellweich. Ausnahmen selten.
Die Autorin deutet diese körpersprachlichen Inszenierungen als Doing Gender, als unbewusste ständige Neuinszenierung der Geschlechter und des hierarchischen Geschlechterverhältnisses. Der „Mann“, hat Gitta Mühlen Achs beobachtet, steht gerade oder breitbeinig. Die Hände hängen locker herab oder oder sind herausfordernd in die Hüften gestemmt. Das Gesicht wirkt ungerührt, ausdruckslos. Der Blick ist scharf, starr, fixierend. Der Mund lächelt selten, und wenn, dann ist es eher ein selbstbewusstes Grinsen.
Die „Frau“ hingegen demonstriert Schwäche, Schutzbedürftigkeit und Labilität. Sie steht schräg, wie bei verlegenen kleinen Kindern sind die Knie nach innen abgeknickt. Die Füße stehen so zueinander, dass sie kaum Halt bieten. Der ganze Körper fordert kaum Platz, die Arme sind eng am Körper oder ganz versteckt. Die Hände liegen flach an oder fingern unsicher an Mund oder Bluse herum. Der Kopf liegt unterwürfig schief. Der Blick ist abgewendet, verschleiert. Die Lippen sind geöffnet, lächeln oder werden verführerisch dargeboten. Auffallend oft räkeln sich Frauen auf Betten, Autos oder Geschirrspülmaschinen, liegen kopfüber hingegossen oder babygleich bäuchlings. Liegende Männer sind kaum zu finden.
Doch damit nicht genug. Die Auswertung von 64 „Parkbankspielen“, bei dem der Proband ein unerwünschtes Gespräch abwehren soll, ergab, dass „männliche Spieler sich gegen weibliche ingesamt häufiger (im Verhältnis 3:1) durchsetzen als umgekehrt.“
Um diesen Fallen zu entgehen, schlägt die Autorin „zehn Übungen zur Dekonstruktion von Geschlecht“ vor. Etwa: „Versuchen Sie, auf dem Gehsteig oder auf Parkwegen entgegenkommenden Männern ganz bewußt nicht auszuweichen.“ Blaue Flecken nicht ausgeschlossen. Ute Scheub
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