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Die Anfänge der KPD in Mössingen

Ein Verwaltungsbericht von 1607 bescheinigt den Mössingern, ein „halsstarriges, rebellisches Gesindlein“ zu sein. Über Jahrhunderte hinweg hatten sich die Mössinger als pietistische Zelle inmitten einer stockkatholischen Umgebung gehalten.

Man war weltoffen und flexibel, hatte immer Kontakt mit Handwerkern von außerhalb; nirgends sind so viele Auswanderer nach Amerika verzeichnet wie in Mössingen.

Gegen Ende des vorigen Jahrhunderts hatte eine Vielzahl von neu entstandenen Industrie- und Handwerksbetrieben das Bauerndorf in eine wichtige Metropole der Region verwandelt. Seidenspinnereien, Buntwebereien, Rechenmacher und Schreiner siedelten sich an, die Bauern verdingten sich als Fabrikarbeiter.

Statt der Kirchenglocken dirigierten die Fabriksirenen den Alltag, was aber keineswegs hieß, dass damit das Dorf reicher geworden wäre. Das besondere an der Steinlachgemeinde jedoch war, dass man „den Abstieg vom Bauerndasein ins arme Proletariat“ von Anfang an nicht als individuelles Schicksal begriff.

Beim gemeinsamen Heimweg entwickelte die Arbeiterschaft politisches Bewusstsein und formierte sich zur kollektiven gewerkschaftlichen Gegenwehr. Im Kaiserreich wählte man deshalb in Mössingen die Freisinnige Fortschrittliche Volkspartei, dann Anfang des Jahrhunderts die Sozialdemokraten.

Mit der Inflation, der Kurzarbeit und den Lohnsenkungen nach dem Ersten Weltkrieg verarmten die Arbeiterbauern, wie Lohnempfänger wegen ihrer Nebenerwerbslandwirtschaften genannt wurden, immer mehr. Doch nur manche legten da ohnmächtig die Hände in den Schoß, haderten mit dem Schicksal und ergaben sich dem Brandtwein.

Viele schlossen sich der Arbeiterbewegung an, politisierten und fanden in den Arbeitervereinen eine Zuflucht. Bei den Reichstagswahlen von 1932 stellte die KPD mit 32,2 Prozent neben der NSDAP mit 41,9 Prozent die zweitstärkste Partei im Dorf. M. M.

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