: Mit dem Springseil diszpliniert
■ In einer Neuköllner Schule sollen Kinder an Stühle gebunden und geschlagen worden sein. Schulleiterin und Elternvertreter finden Vorwürfe übertrieben. Schulamt ermittelt
Die Vorwürfe klingen wie Lehrmethoden aus dem 19. Jahrhundert: Ein Kind soll von der Lehrerin an den Stuhl gefesselt worden sein – weil es zu häufig zappelte. Ein weiterer Schüler soll mit einem Rohrstock geschlagen worden sein – weil er zu viel quatschte. Drei Mütter, deren Kinder auf die Neuköllner Grundschule am Sandsteinweg gehen, haben sich beim Schulrat über die „Erziehungsmethoden“ beschwert und fordern, dass die beschuldigten LehrerInnen die Schule verlassen.
Der Elternverteter der Schule, Frank Beckmann, bestätigte, dass es „unangemessene Disziplinierungsmaßnahmen“ gegeben habe. Es seien jedoch nur wenige gewesen und diese hätten sich innerhalb eines Zeitraums von zwei Jahren ereignet. „Dass mit einem Stock geschlagen wurde, halte ich jedoch für ein Hirngespinst“, sagte er. Nach seinem Kenntnisstand würden drei Lehrer von den Eltern beschuldigt. Die Eltern waren gestern für eine Stellungnahme nicht zu erreichen.
Die Leiterin der Schule, Petra Balzer, wies einen Großteil der Anschuldigungen von sich. „Die Eltern übertreiben maßlos“, sagte sie. In einem Fall habe es sich um eine Zweitklässlerin gehandelt, die im Unterricht sehr nervös gewesen sei. Die Lehrerin habe deshalb „spielerisch ein Springseil, das im Klassenzimmer rumlag“, um das Kind gelegt, damit es still sitze. Das Kind hätte jedoch jederzeit aufstehen können. Balzer findet diese Methode jedoch „völlig unangebracht und unangemessen“. In einen weiteren Fall haben nach Darstellung der Schulleiterin zwei SchülerInnen während des Unterichts „unentwegt gequatscht“. Die Lehrerin habe deshalb einen Zeigestock genommen, auf den Tisch der Kinder geschlagen und sie angebrüllt. „Das ist völlig angemessen, da tut man keinem weh“, ist ihre Berurteilung. Geschlagen worden sei keines der Kinder.
Nach Darstellung von Balzer haben die Eltern „Frust auf die Schule“. Eine der Mütter habe auf dem Schulgelände fremde Kinder tätlich angegriffen und LehrerInnen verbal bedroht. Die Schulleitung habe ihr daraufhin Hausverbot erteilt. Die Schule, die eine eigene Tierfarm unterhält, habe bisher einen „sehr guten Ruf“ gehabt. Die Elternschaft sei durch die ungerechtfertigten Anschuldigungen jetzt „total verunsichert“.
Schulrat Armin Eckstein sagte gestern, dass bereits geprüft werde, ob sich die Lehrer unrechtmäßig verhalten haben. Wenn dem so sei, würden Maßnahmen ergriffen werden. Das könne eine Abmahnung sein, aber auch eine Geldbuße. Dass die betreffenden LehrerInnen vom Dienst suspendiert werden, hält er jedoch für unwahrscheinlich.
Nach Angaben von Thomas John, Sprecher von Schulsenator Böger (SPD), sind Züchtigungen in der Schule „absolut verboten“. Dazu gehört „Schlagen, Bewerfen, Anfassen und auch das Anlegen von Springseilen“. Es habe in den vergangenen Jahren kaum ähnliche Fälle gegeben: „99,5 Prozent der Lehrer verhalten sich korrekt.“ Julia Naumann
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