piwik no script img

Die Besten im Ratsherrnkeller

■ Der FC St. Pauli verteidigt seinen Titel bei der 14. Auflage des Ratsherrn-Cups am Wochenende in der Alsterdorfer Sporthalle und stellt erneut Hamburgs bestes Hallen-Fußballteam

Nein, unbändige Vorfreude sprach nicht gerade aus den Gesichtern der Menschen, die zu hunderten aus der U-Bahnstation Lattenkamp strömten – eher so etwas wie Gelassenheit oder gar Gleichgültigkeit. Sie gingen eben dorthin, wo sie auch hingehörten: ein Hallenturnier als freiwilliges Familientreffen.

Dabei wäre wahrhafter Enthusiasmus ob des endlich wieder livehaftig zu bewundernden Erlebnisses Fußball in jedem Falle zu verstehen gewesen: Der letzte bezahlte Auftritt einer Hamburger Profimannschaft lag bereits fast drei Wochen zurück. Und bekanntlich ist des Fuballfans Seele leicht per Entzug des höchsten Gutes aus dem Gleichgewicht zu bringen. Da hilft noch nicht einmal leckerer Stollen oder gar ein Hosianna.

Warum es dann aber ausgerechnet der 14. Ratsherrn-Cup sein musste, der an zwei Tagen für etwa 6.000 Menschen in der Alsterdorfer Sporthalle den Initiationsritus für das neue Jahrtausend darstellte, blieb zunächst rätselhaft. Angesichts eines Turniers, bei dem man die Namen jeder zweiten Mannschaft entweder nicht korrekt aussprechen konnte (RKC Waalwijk) oder wollte (die Nürnberger „Glubberer“), kann es die Freude an einem hochkarätig besetzten Teilnehmerfeld jedenfalls nicht gewesen sein. Zumal das traditionelle Stadtduell St. Pauli – HSV dieses Jahr gar nicht stattfand, da es der Bundesligist vorgezogen hatte, sich beim überdachten Kick im sächsischen Riesa zu blamieren.

Aber vielleicht erhält ja gerade ein kleinteiliges Hallenturnier wie der Ratsherrn-Cup durch das völlige Fehlen von Glamour seinen ureigenen Charme. Da wurde das Fernbleiben des HSV auf den Gängen des Pressebereichs von so manchem mit tief empfundener Enttäuschung quittiert. Da tauchten zwei mittelalte Mönchengladbach-Fans auf, um die ihnen per Fanfreundschaft verbundenen Mainzer zu unterstützen, stellten aber fest, dass aus der Landeshauptstadt des Frohsinns kein Mensch die Reise nach Hamburg angetreten hatte – im Gegensatz zu etwa dreißig Nürnberg-Fans, die den peinlichen Auftritt ihres Vereins dadurch bestraften, dass sie nach deren Ausscheiden Fan-Utensilien samt Clubnamen im Rucksack verschwinden ließen. Und sich nur noch durch das etwas zu melodisch prononcierte „R“ sowie berechtigte Beschwerden über hanseatische „Brrrrraukunst“ als beleidigte Franken outeten.

Dass viele Gesichter um kurz vor elf wesentlich beschwingter dreinblickten als noch fünf Stunden zuvor, war indes durch die Leistungen der beiden Mannschaften des FC. St. Pauli zu begründen: So mussten sich die Amateure einzig aufgrund des schlechteren Verhältnisses von geschossenen zu eingefangenen Treffern mit dem dritten Gruppenplatz begnügen, hatten zuvor aber ansprechenden Fußball gezeigt. Gänzlich ungetrübt hingegen verlief der Triumph der Profis, die als Sieger der Gruppe A das Halbfinale gegen Mainz mit 3:1 für sich entschieden und das Endspiel gegen Waalwijk, das nach regulärer Spielzeit noch 3:3 gestanden hatte, im Neunmeterentscheid gewannen. Ebenso sehenswert wie die verwandelten Penalties von Karl, Trejgis, Polunin und Klasnic, die zur Verteidigung des im Vorjahr errungenen Hallenmeister-Titels reichten, war jedoch eine Szene in der Anfangsphase des Finales.

Libero Steffen Karl stellte unter Beweis, dass das Spielfeld keine hundert Meter lang sein muss, um ihn erfolgreich am Laufen zu hindern. So trat er das Rund mit derartig aufreizender Lässigkeit immer wieder quer oder zurück, bis selbst das ausgesprochen langmütige Publikum das unwürdige Treiben mit Pfiffen quittierte. Woraufhin Karl den Ball beleidigt zu Torwart Wehlmann zurückstocherte. Nur war auch der offensichtlich so über seinen Vordermann genervt, dass er „Eisen-Karl“ das eigentliche Objekt der Begierde ostentativ erneut zukickte. Ein lustiges Kurzpass-Spiel begann: Karl stoppte den Ball verdutzt, spielte erneut zu Wehlmann, der zu Karl, jener zu Wehlmann, dieser wiederum zu Karl....bis dieser sich selbst auswechselte. Als er sich Minuten später allerdings genötigt sah, wieder zu demonstrieren, was „auf dem Platz stehen“ wirklich bedeutet, konnte er den Turniersieg glücklicherweise nicht mehr ernsthaft gefährden.

Das Gros der Zuschauer dürfte das gefreut haben, schließlich ist der Zweitligist damit endgültig das Beste, was die Hansestadt in der Halle zu bieten hat. Oh wäre doch immer Ratsherrn-Cup...

Christoph Ruf / Oliver Lück

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen