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Im doppelten Sinn autorenlastiger Lückenfüller

Der WDR-„Filmtip“ gibt wirklich Filmtipps – und heute zum 250. Mal (0.45 Uhr, WDR)

Auf Veranstaltungen des Verbandes der deutschen Filmkritik ist ein Thema mittlerweile zum Dauerbrenner geworden: das ersatzlose Verschwinden kompetent gemachter Kinosendungen im deutschen Fernsehen. Als Minderheitenprogramm und somit als Quotenkiller verschrieen, haben sie keine Chance mehr in einer Medienlandschaft, die es allenfalls noch zulässt, dass föhngewellte, ahnungslose Moderatoren eine lieblose Aneinanderreihung von Filmschnipseln und Trailern präsentieren, die zuvor von den Produktions-und Verleihfirmen autorisiert wurden. Da ist Fernsehen dann wenig mehr als ein unbezahlter Werbeträger der Kinoindustrie.

Somit gilt es heute eines der letzten überlebenden Formate einer aussterbenden Spezies zu würdigen: den WDR-„Filmtip“, der es (noch immer mit nur einem kleinen p) in dieser Woche auf nunmehr stolze 250 Ausgaben bringt, seit er am 4. Januar 1978 erstmals über den Sender ging. Das ursprüngliche Konzept, so sagt Helmut Merker, Redakteur des „Filmtip“ vom Anbeginn aller Zeiten, sei ganz einfach gewesen: eine Sendung mit aktueller Filmkritik im Fernsehen. Doch schon die Auswahl des ersten Gegenstandes kritischer Betrachtung, François Truffauts „Der Mann, der die Frauen liebte“, macht deutlich, dass die Redaktion den „Filmtip“ seit jeher als ein im doppelten Sinn „autorenlastiges“ Format versteht: Stets wird der so genannte Autorenfilm gegenüber den Blockbustern bevorzugt, und immer macht sich ein Kritiker Gedanken über nur einen Film.

Also kein Potpourri, kein Überblick, nicht der viel beschworene Service für den Zuschauer, sondern eine genaue Auseinandersetzung mit dem einzelnen Werk. Der „Filmtip“ bietet keine Interviews mit Stars und Regisseuren, er erzählt keine Inhalte nach und bietet den Kritikern – anders als beim legendären „Ratschlag für Kinogänger“ des ZDF, wo die Szenen mit den vor Bücherregalen sitzenden und ihre Manuskripte verlesenden Journalisten stets für unfreiwillige Heiterkeit sorgten – auch keine Möglichkeit für eitle Selbstdarstellung.

Stattdessen geht es um die Analyse von Stil und Inszenierung, von Formen und Farben mit Hilfe von Filmausschnitten und Standbildern. Wobei die Kunst für den Autor der Sendung darin besteht, die Kinobilder nicht bloß als einen visuellen Beleg für seine Thesen zu benutzen. Und: Nicht zu Unrecht verweist Merker mit Stolz darauf, dass die „Filmtip“-Redaktion stets mit dem kompletten Film arbeitet und sich den „Electronic Press Kits“, den üblicherweise vom Verleih zur Verfügung gestellten Filmhäppchen und Werbematerialien, strikt verweigert. So wenig sich der „Filmtip“ über die Jahre verändert hat, so sehr gestaltet sich die heutige, von Helmut Merker selbst verfasste 15-minütige Jubiläumsausgabe als Ausnahme: als subjektiven Rückblick auf 23 Jahre mit ein wenig Jubel über die erreichten 250 Sendungen und der nochmaligen Erklärung jener „Filmtip“-Prinzipien, die eben auch beinhalten, dass man den Zuschauer noch ernst nimmt, und ihm, so Merker, „die Freiheit des eigenen Urteils“ lässt.

Die Zukunft des „Filmtip“ bleibt allerdings im Dunkeln, denn auch Helmut Merker weiß, dass seine Sendung kaum mehr als ein preiswert zu produzierender Lückenfüller im Nachtprogramm ist: Erst wenn der „Cinemathek“-Film mal wieder den Sendeplatz von 105 Minuten nicht ganz ausfüllt, gibt es den nächsten „Filmtip“. Hoffentlich. Lars Penning

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