: Pfundweise Ärger
Zwangsumstellung auf metrische Gewichte erregt Großbritannien – vor allem die EU-Gegner
Dublin (taz) – Die Briten hängen an ihrem Pfund, ob es nun die Währung oder die Gewichtseinheit ist. Das „Pfund Sterling“ ist zur Zeit noch sicher, doch das „imperiale Pfund“, das 453 Gramm schwer ist, darf seit 1. Januar nicht mehr benutzt werden, denn Großbritannien ist den anderen EU-Ländern angeglichen worden. Die Änderung stößt auf wenig Gegenliebe. Bei einer Umfrage erklärten 72 Prozent, dass sie die alten Maße beibehalten möchten. Abgepackte Ware wird schon seit einem halben Jahr mit metrischer Kennzeichnung verkauft, doch nun darf auch loses Gemüse und Obst nicht mehr in britischen Pfunden und Unzen gewogen werden.
Während Supermärkte und Kaufhäuser längst umgestellt haben, sind sechs von zehn kleinen Läden für das metrische Zeitalter noch nicht bereit. Ihnen drohen Geldstrafen von 2.000 Pfund Sterling. Eine erste Verwarnung wurde gestern vormittag ausgesprochen. Dave Stephens und Mandy Reilly hatten angekündigt, sich dem metrischen System nicht beugen zu wollen, und verkauften in ihrem Fleischerladen in Essex weiterhin imperial abgewogenes Fleisch. Die Handelsbehörde gab ihnen schriftlich 28 Tage Zeit, ihre Waagen umzustellen. Andernfalls werde das Kronensiegel darauf durch einen EU-konformen sechszackigen Stern ersetzt. Wird die Waage danach noch benutzt, werden die Besitzer angeklagt.
Die Tories haben der Labour-Regierung vorgeworfen, sich nicht genug für eine Ausnahmeregelung eingesetzt zu haben. Allerdings ist die Umstellung auf das metrische System bereits seit 1965 vorbereitet worden, die entsprechenden Gesetze wurden 1994 von der Tory-Regierung verabschiedet.
Die anti-europäische UK Independence Party (UKIP), die bei den letzten Europawahlen auf sieben Prozent der Stimmen kam, hat nun eine Kampagne zur Rettung der imperialen Gewichte ins Leben gerufen. Ihr Europa-Abgeordneter Jeffrey Titford sagte: „Die Regierung hat sich dem EU-Diktat gebeugt.“ Der Verfassungsexperte der Partei, Michael Shrimpton, hält die Umstellung gar für illegal. Er hat sich bereit erklärt, Geschäftsinhaber im Falle der Anklage kostenlos zu vertreten, notfalls auch vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte. Die UKIP hat sogar einen „Metrische-Märtyrer-Fonds“ gegründet.
Großbritanniens Straßenschilder und Tachometer bleiben von den Veränderungen unberührt, Entfernungen werden nach wie vor in Meilen angegeben. Und auch das Pint, jene Maßeinheit, in der Bier ausgeschenkt wird, überlebt. Das hätte man den Briten dann doch nicht zumuten wollen.
Ralf Sotscheck
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen