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Berliner, bleibt in der Platte!

■ Die umstrittene „Bauausstellung 1999“ für 8.000 Eigenheime steht auf der Kippe. Der neue Senatsbaudirektor findet das Projekt grundsätzlich falsch. Der Planungschef wehrt sich

Es war ein heißer Sonntag im Mai vergangenen Jahres. Berlins Regierender Bürgermeister Eberhard Diepgen (CDU) schwitzte, als er zum „ersten Spatenstich“ für die „Bauausstellung 1999“ ansetzte. In die kleine Grube auf der Buchholzer Wiese im Bezirk Pankow pflanzte Diepgen einen Baum – vielleicht ein Menetekel dafür, dass dort keine Häuser, sondern wie bisher Bäume in den Himmel wachsen sollten.

Gut ein Dreivierteljahr nach dem Spatenstich droht dem größten Wohnungsbauprogramm Berlins aus der letzten Legislaturperiode jetzt das Aus. Für die rund 8.000 Wohnungen, die im Nordosten der Stadt als Eigenheime entstehen sollen, fürchtet Eckhard Feddersen, Planungsdirektor der Bauausstellung, dass sie von Bausenator Peter Strieder und Senatsbaudirektor Hans Stimmann (beide SPD) auf den Index gesetzt werden. Im Gegensatz zu Strieders Vorgänger Jürgen Klemann (CDU), so Feddersen zur taz, wolle sich der neue Bausenator auf die „Innenstadtentwicklung an Stelle der Außenbereiche“ konzentrieren. Außerdem seien die Bemühungen gescheitert, die Bauausstellung 1999 im neuen Koalitionsvertrag fortzuschreiben.

Zugleich, kritisiert Feddersen, gebe es „deutliche Signale aus der Bauverwaltung“, dass die „Eigenheimstrategie“ für Häuslebauer nicht weitergeführt werden soll. In den vergangenen Monaten habe es keine Gespäche mehr mit der Baubehörde gegeben. Feddersen: „Wir bewegen uns im politisch luftleeren Raum.“ Ohne eine baldige Entscheidung drohe das geplante Milliardenprojekt an der Peripherie für über 20.000 Vorstädter zu platzen.

Die Bauausstellung 1999 war vor drei Jahren gegründet worden, um sowohl private Wohnformen zu fördern als auch die Abwanderung von Berlinern nach Brandenburg zu stoppen. Unter dem Motto „Verdichteter Wohnungsbau am Stadtrand“ war geplant, bis 2004 auf fünf Standorten in Pankow und Weißensee über 8.000 Eigenheime für über 3 Milliarden Mark zu errichten. Finanziert werden sollen diese in Form einer Public Private Partnership, in der das Land die Grundstücke zur Verfügung stellt und private Bauträger die Häuser bauen und vermarkten.

Heftig in die Kritik geraten war die Bauausstellung bereits im letzten Jahr. Sowohl Strieder als auch die stadtentwicklungspolitische Sprecherin der Grünen, Claudia Hämmerling, wandten sich gegen das Konzept, weil das umstrittene Eigenheimprogramm auf Kosten der innerstädtischen Stadtreparatur, des sozialen Wohnungsbaus und der Grünflächen gehe.

Während sich Strieder zu dem aktuellen Stopp des Bauprogramms noch nicht äußern will, bezog Baudirektor Stimmann deutlich Position: Die Bauausstellung 1999 sei „ein im Grundsatz falsch angelegtes, mutloses und einseitig auf das Eigenheim an der Peripherie“ konzentriertes Projekt.

Auch in der Bauverwaltung gibt man sich unsicher über die „wackelige“ Zukunft der Planung. Es sei durchaus vorstellbar, dass die Bauvorhaben entweder gestrichen oder „in wesentlichen Teilen“ verändert werden könnten, sagte ein Mitarbeiter.

Feddersen, der für die Planungen eingesetzte fünfköpfige Beirat sowie die Investoren (darunter die GSW und die landeseigene Bleg) wollen das mögliche Ende der Bauausstellung nicht kampflos hinnehmen. In einem der taz vorliegenden Schreiben an den zuständigen Baustaatssekretär Frank Bielka fordert Feddersen Gespräche „über eine Fortsetzung der Bauausstellung“. Dabei sollten Wege zur Weiterführung und „auch Änderungsvorschläge diskutiert werden“. Feddersen kann sich etwa Veränderungen in der städtebaulichen Gestalt durch eine „größere Verstädterung“ der Siedlungen vorstellen.

Verärgert über die Haltung der Bauverwaltung zeigte sich ebenfalls der Architekt und Beirat Ulrich Peickert. Auch der neue Senator, sagte Peickert, sei dem Projekt Bauausstellung „verpflichtet“. Es sei nicht hinnehmbar, die Arbeiten der Architekten, Planer und Bezirksbehörden zu entsorgen. Der Beirat wolle sich in einer Stellungnahme an den Senator für die Fortführung einsetzen.

Rolf Lautenschläger

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