Die Grünen als k. u. k. Regime?

Renate Künast und Fritz Kuhn wollen an die Spitze. Die beiden amtierenden Parteivorsitzenden Röstel und Radcke wehren sich ■ Von Patrick Schwarz

Berlin (taz) – Der Vorgang passte durchaus zum heutigen Datum, dem 20. Gründungsjubiläum der Grünen. Offiziell begeht die Partei ihren Geburtstag fast gar nicht, trotzdem muss die einstige Sponti-Truppe auf ein grünentypisches Happening nicht verzichten: Zwei prominente Mitglieder kündigten gestern ihre Kandidaturen für den Parteivorsitz an – und die beiden amtierenden Sprecherinnen setzen auf Widerstand.

Renate Künast aus Berlin und Fritz Kuhn aus Baden-Württemberg leiten die Fraktionen der Grünen in ihren Bundesländern und wollen auf einem vorgezogenen Parteitag am 18. Juni Antje Radkke und Gunda Röstel ablösen. „Die Regierungsarbeit muss professioneller in die Partei hinein vermittelt werden“, sagte Kuhn am Rande einer Klausurtagung seiner Fraktion im Schwarzwald, „unsere Leute sind oft nicht informiert genug.“ Er wolle allerdings auch als Bundessprecher der Partei weiter Fraktionsvorsitzender in Stuttgart bleiben sowie als Spitzenkandidat in der Landtagswahl 2001 antreten.

Auch Künast möchte Fraktionschefin bleiben, müsste aber als Landespolitikerin in Berlin keinen geografischen Spagat vollbringen. Die Kombination aus Parteiamt und Parlamentsmandat muss erst noch von einer Bundesdelegiertenkonferenz – einem Parteitag – im März gestattet werden. Gestern schienen sogar Kampfkandidaturen um die zwei Vorsitzendenposten möglich. „Es steht unserer Partei gut zu Gesicht, wenn man auf einer Bundesdelegiertenkonferenz nicht nur die Wahl, sondern auch die Auswahl hat“, sagte Röstel der taz. Auch Kuhn geht davon aus, dass es Gegenkandidaturen geben wird.

Radcke und Röstel wollten gestern beide nicht ausschließen, sich im Juni zur Wiederwahl zu stellen. „Ich habe diesen Job nicht angetreten, um ihn möglichst schnell wieder loszuwerden“, sagte Antje Radcke der taz und kündigte an: „Ich habe nicht vor, den Kopf zwischen die Schultern zu ziehen und zu sagen, das Schicksal wirds schon wenden.“

Röstel will eine endgültige Entscheidung über ihre Kandidatur erst nach dem Strukturparteitag im März zu treffen. Die eher linke Grüne Künast und der Realo Kuhn gelten bei einer direkten Konfrontation als Favoriten, weil auch der heimliche Parteichef Joschka Fischer sie unterstützt.

Die beiden amtierenden Sprecherinnen reagierten am Mittwoch verärgert auf die Unterstützung Fischers für ein „k. u. k.“ Regime aus Kuhn und Künast. „Ihnen haftet der Ruch an, Fischers Dreamteam zu sein“, meinte Radcke, „ich glaube nicht, dass das die einzige Eintrittskarte ist.“ Auf den Segen Fischers für die beiden Fraktionschefs angesprochen sagte Röstel, sie bezweifle, ob Segnungen ein geeignetes Mittel in der Politik seien.

Der jetzige Bundesvorstand habe „Standing und Führungsfähigkeit“ bewiesen. Röstel kritisierte das verdeckte Drängen des Fischer-Lagers auf einen Wechsel an der Parteispitze als „schlechten Stil“. Mit Blick auf den Parteitag sagte sie: „Ich werde alles daran setzen, dass es im Vorfeld nicht zur Demontage einzelner Personen kommt.“

In Fischers Lager gelten Kampfkandidaturen eher als unwahrscheinlich. „Wenn’s denn so ist, kann man nichts machen“, sagte ein Vertrauter der taz, „aber ich rechne nicht damit.“ Vielmehr wird davon ausgegangen, Röstel und Radckes Widerstand ziele auf eine Sicherung attraktiver Ausweichposten ab. „Das ist im Gespräch“, heißt es.

Künast und Kuhn machten gestern ihre Kandidatur von einer Zustimmung des März-Parteitages zu den Strukturreformen abhängig. Der Bundesvorstand hatte am Montag mehrheitlich empfohlen, die Trennung von Amt und Mandat für die Hälfte der Vorstandssitze aufzuheben.