: Bescheidenheit ist doch keine Zier
Handys, Pelze und Juwelen bescheren eine „kleinen Aufschwung“. Dennoch ist für Hamburgs Einzelhandel ein Mehrumsatz von 100 Millionen Mark kein Durchbruch ■ Von Peter Ahrens
Wenn man den Satz hört: „Wir sind langsam dabei, wieder ein bisschen Tritt zu fassen“, dann weht einen ein Hauch von Mitleid an. Wenn man weiß, dass Ulf Kalkmann, der Hauptgeschäftsführer des Hamburger Einzelhandels, damit den Mehrumsatz von 100 Millionen Mark im vergangenen Jahr meint, verfliegt das Mitleid wieder. Bei einem Einzelhandel, der von „einem kleinen Aufschwung“ spricht, können die Zahlen schon nicht so schlecht sein. Die Begleitmusik von „unerfreuliche Tendenz“ bis „nicht der große Durchbruch“ gehört dazu.
Handys, Handys, Handys – „der Boom ist ungebrochen“ sagt Kalkmann, der gestern gemeinsam mit den Fachverbänden des Handels aufs Jahr 1999 zurückblickte. Die Kommunikationstechnik machte mit einem Umsatzplus von sieben Prozent den besten Schnitt. Gemeinsam mit der Heimwerker-Branche, was für Kalkmann „auch mit der Schwarzarbeit zusammenhängt“. Außerden profitieren die Baumärkte davon, dass man bei ihnen inzwischen fast alles kaufen kann. „Da findet die große Rosinenpickerei statt“, sagt der Geschäftsführer.
Am Ende der Skala stehen die Bekleidungsgeschäfte und der Lebensmitteleinzelhandel – „die großen Verlierer im knallharten Verdrängungswettbewerb“. Und das wird auch im neuen Jahr so weitergehen: Discounter schöpfen den Rahm ab. „Computer beim Lebensmittelfilialisten, Schmuck beim Kaffeefilialisten, Fahrräder über den Versandhandel“ – das werde sich noch verstärken.
Der Preis: 150 Geschäfte werden wie 1999 auch in diesem Jahr schließen müssen, „und leider werden wir uns wohl von 500 Mitarbeitern trennen müssen.“ Im Vorjahr wurden 700 Stellen im Hamburger Einzelhandel abgebaut. Der Handel klagt, er hat aber auch richtig gute Nachrichten.
Wolfgang Linnekogel, einer der Geschäftsführer der Fachverbände, freut sich darüber, dass „Luxus wieder zeigbar wird“. Die Zeiten der „absoluten Bescheidenheit“ bei den HamburgerInnen seien vorbei. Anzeichen dafür: „Es gibt jetzt wieder mehr Pelzgeschäfte in der Stadt.“ Und Juwelen dürften auch wieder in der Öffentlichkeit vorgezeigt werden.
Ein Schmuckstück aus Händlersicht ist auch die neue Mönckebergstraße – solange sie noch mit dem Auto erreichbar ist. Für dieses Thema ist der neue City-Manager Henning Albers zuständig, und er legt daher los: „Leistungsfähige Straßennetze sind für uns unverzichtbar.“ Der Verkehrsentwicklungsplan des Bausenators, von der Handelskammer bei steter Gelegenheit in der Luft zerrissen, kommt auch bei ihm nicht gut weg. Busbeschleunigungen, höhere Parkgebühren und der Ausbau von Fußgängerzonen – „da melden wir Kritik an“. Immerhin gehe man mit SPD-Senator Wagner überein, dass Transrapid und Hafenquerspange kommen müssen und die Innenstadt sauberer werden soll.
Die „saubere“ Innenstadt – ein Thema, mit dem sich Albers vor Monaten schon mächtig in die Nesseln gesetzt hat, als er kurz nach Amtsantritt laut über die Vertreibung von Obdachlosen aus der City nachdachte. Nach dem Gegenwind, den er daraufhin bekam, sagte er gestern kein Wort mehr darüber, obwohl er beteuert: „Ich bin da nicht zurückgerudert.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen