: Den Stoff gibts auf Rezept
Modellprojekt der kontrollierten Heroinabgabe kostet 30 Millionen Mark. Andere Projekte bekommen dadurch nicht weniger Geld ■ Von Elke Spanner
Urs Abt ist aus Zürich in die Hansestadt gereist, „um Ängste zu nehmen“: Wie in Hamburg hätten auch in der Schweiz viele Menschen befürchtet, dass durch die konstrollierte staatliche Vergabe von Heroin die Hemmschwelle für Jugendliche, die Droge auszuprobieren, sinken könnte. Nach mittlerweile 5-jährigem Experiment konnte der Leiter der Suchtpräventionsstelle Zürich gestern jedoch berichten, dass die Zahl der NeueinsteigerInnen nicht gestiegen, die der verelendeten KonsumentInnen und Drogentoten hingegen sogar gesunken sei. Ab dem Spätsommer werden auch in Hamburg rund 300 Junkies drei Jahre lang ihren Stoff nicht auf dem Schwarzmarkt, sondern vom Arzt beziehen – wissenschaftlich begleitet.
Runde 30 Millionen Mark lässt sich die Stadt den Modellversuch kosten. Am Rande einer Fachtagung, zu der das Hamburger Büro für Suchtprävention, die Techniker Krankenkasse und das Institut für Lehrerfortbildung geladen hatten, betonte gestern Peter Lindlahr von der Behörde für Arbeit, Gesundheit und Soziales (BAGS), dass das Geld nicht bei anderen Drogenprojekten eingespart werden soll: „Wir nehmen niemandem etwas weg, nur weil Hamburg ein derart pres-tigeträchtiges Projekt unterstützt“.
Auch Frankfurt, Hannover, Karlsruhe, Köln, Essen, München und Dortmund beteiligen sich an der Drogenvergabe auf Rezept. Lindlahr betonte, dass es zunächst ein Forschungs- und kein Therapieprojekt sein soll. An dessen Ende könnte im Optimalfall stehen, dass Heroin in Apotheken bereitgehalten und auf Rezept ausgegeben wird – selbstverständlich „immer im Rahmen einer Gesamtbehandlung und von dafür lizensierten Ärzten“.
Im März fällt die Entscheidung darüber, welches Institut den Modellversuch wissenschafltich begleiten wird. Erst dann wird auch festgelegt, wie die Probanden ausgewählt und wo der Stoff ausgegeben werden soll. Vermutlich wird es drei Stellen in Hamburg geben, an denen ÄrztInnen Drogen an Junkies verabreichen. Die müssen sie im Beisein der MedizinerInnen nehmen, damit niemand den staatlichen Stoff abholen und anschließend auf dem Schwarzmarkt verkaufen kann. ProbantInnen sollen zum einen KonsumentInnen sein, die bisher keinen Kontakt zum Drogenhilfssystem hatten, zum anderen Junkies, die bereits Therapieversuche abgebrochen haben.
Der Stoff, sagte gestern Ingo Ilja Michels vom Bundesgesundheitsministerium, muss aus dem „europäischen Ausland“ importiert werden. In Deutschland sei das Herstellen von Heroin nicht erlaubt. Eines der Ziele des Modellversuches sei herauszufinden, inwieweit sich Heroin als Arzneimittel eignet und zugelassen werden sollte.
In der Schweiz ist man über diese Versuchsphase bereits hinaus, berichtete Martin Hosek vom Bundesamt für Gesundheit in Bern. Dort laufen Verhandlungen mit den Krankenkassen über die Finanzierung der „heroingestützten Behandlung“ von Suchtkranken.
Die ursprünglich skeptische Schweizer Bevölkerung hat nach 5-jähriger Testphase die Droge als Medikament akzeptiert: Bei einer Volksabstimmung im Juni sprachen sich mehr als 50 Prozent der SchweizerInnen für die Weiterführung der „heroingestützten Behandlung“ aus.
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