: Das System selbst ist der Fehler
So was kannte man nur aus Bananenrepubliken: Koffer voller Geldscheine und Waffenhändler mit heißem Draht zur Macht. Längst schon ist aus der Spendenaffäre Kiep die Affäre CDU geworden. Und wer weiß, ob der SPD demnächst mehr ins Haus steht als ein Urlaub sponsored by WestLB. Von den Amigos in Bayern ganz zu schweigen.
Auf dem Prüfstand steht derzeit nicht nur das System der Parteienfinanzierung, sondern die Parteiendemokratie selbst. Wo Spenden sind, gibt es Spender, und die sind nicht immer altruistisch, wie das Beispiel des Waffenhändlers Schreiber zeigt. Was immer die Wahlen in Schleswig-Holstein und NRW bringen werden, das Vertrauen in die Politik ist nachhaltig erschüttert. Dazu bedarf es nicht einmal des akribischen Nachweises, dass dieser oder jener Tausender diese oder jene Entscheidung beeinflusst habe. Es reicht schon der Verdacht, dass es so sein könnte: Politik ist käuflich, Politik ist verkauft.
Daran wird auch die von Angela Merkel betriebene Aufklärungskampagne nichts ändern. Selbst wenn der eine oder andere zurücktritt und die Hinterbliebenen händeringend Besserung schwören. Aus den „Einzelfällen“ ist längst das „System“ geworden, das „System Kohl“, das „System Parteienfinanzierung“, das „System Bestechlichkeit“. Dass das deutsche Parteiensystem und damit auch das Selbstverständnis der parlamentarischen Demokratie vor dem Ende stehen, wird dennoch bestritten.
Zum einen machen die USA vor, dass man auch mit Wahlbeteiligungen knapp über der Nachweisgrenze noch trefflich Demokratie spielen kann. Zum andern stellt sich die Frage: Was nun? Nur: Wer soll prognostizieren, was auf das politische System der Bundesrepublik folgen könnte, wenn die CDU noch nicht einmal ein viel überschaubareres Zukunftsproblem zu lösen vermag: einen geeigneten Nachfolger für Wolfgang Schäuble zu finden.
Es gibt aber noch einen dritten Grund. Der heißt: Es geht schon immer irgendwie weiter. Eine zutiefst westliche Sicht. Der Osten führte vor, wie schnell die Erosion eines Systems dieses auch beenden kann.
Warum also nicht die Bundesrepublik einmal von ihrem Ende her denken? Auch das Wirtschaften und Dienstleisten hat mit dem alten rheinischen Kapitalismus nichts mehr gemein. Warum sollte sich nicht auch das politische System drastisch verändern? Warum soll es für den Politiker alten Typs einen Bestandsschutz geben, den der herkömmliche Facharbeiter schon lange nicht mehr hat? Und lässt sich etwas Neues, eine demokratische Alternative, nicht eher denken und entwickeln, wenn man sich über das überkommene Alte keine Illusionen mehr macht?
Vor geraumer Zeit, als Linke noch das Wort Räterepublik im Munde führten (und Apo noch nicht Öcalan hieß), machte einmal das Wort die Runde, dass das System keine Fehler habe, sondern vielmehr der Fehler selbst sei. Nun, da sich die einstige Parole, zumindest was das Parteiensystem betrifft, als wahr herauszustellen droht, trägt man plötzlich Sorge um die lieb gewonnene Demokratie. Doch das ist nur die Sorge derer, die vergessen haben, dass Demokratie mehr ist als Rechtsstaatlichkeit, dass zu ihr auch Gerechtigkeit gehört, soziale Gerechtigkeit. Uwe Rada
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