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Politikerinnenin Frankreich

Auch wenn Frauen in der französischen Öffentlichkeit immer wieder eine große Rolle gespielt haben – das Wahlrecht erhielten die Französinnen relativ spät – erst 1944. Und zu wählen gibt es in Frankreich auch heute noch vorwiegend Männer. So sitzen in der Nationalversammlung nur sechzig weibliche Abgeordnete zusammen mit 517 männlichen Kollegen. Der Senat hat sogar mit knapp sechs Prozent einen noch niedrigeren Frauenanteil. Damit steht Frankreich im EU-Vergleich an vorletzter Stelle.

Anders sieht es dagegen in der Regierung des sozialistischen Premierministers Lionel Jospin aus. Dort arbeiten immerhin zehn Frauen mit achtzehn Männern zusammen.

Eine Sprachregelung war die erste Amtshandlung der fünf Ministerinnen: Sie legten fest, dass sie mit Madame la Ministre und nicht le Ministre angesprochen werden sollen. Präsident Jacques Chirac tut sich damit in den Kabinettssitzungen noch immer schwer und gebraucht beide Artikelformen.

Für viel Wirbel sorgt vor allem Justizministerin Elisabeth Guigou von der Parti socialiste: Ihr größter Coup war im letzten Jahr der „zivile Sozialpakt“ (PACS). Das Gesetz zur Gleichstellung nichtehelicher Lebensgemeinschaften ist eines der modernsten in Europa und geht weit über die derzeit in Deutschland diskutierten Vorschläge zur eingetragenen Partnerschaft hinaus.

Guigous Parteifreundin, Martine Aubry, ist die Nummer zwei im Kabinett. Als Arbeitsministerin hat die Tochter des langjährigen EU-Kommissionspräsidenten Jacques Delors die 35-Stunden-Woche eingeführt und ein erfolgreiches Programm zur Bekämpfung von Jugendarbeitslosigkeit initiiert.

Damit noch mehr Frauen maßgeblich in der französischen Politik mitmischen können, soll bald ein Gesetz die Quotierung von Wahllisten regeln. Der Entwurf der Regierung sieht vor, dass eine Partei genauso viele Frauen wie Männer aufstellen muss. Andernfalls werden ihr die Subventionen gestrichen. Einziger Schwachpunkt: Es ist nicht festgelegt, dass die Frauen auch vordere Listenplätze bekommen müssen.

Strikt gegen die Reform ist Michèle Alliot-Marie, Vorsitzende der gaullistischen RPR. Ihr Kommentar: „Beleidigend.“ Sie selbst war im Dezember 1999 ohne Quote in ihr Amt gekommen. Bei der Urabstimmung setzte sich die Baskin und frührere Sportministerin gegen fünf Männer durch. Sie ist die erste Frau an der Spitze einer großen Partei in Frankreich.

Nadine Lange

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