: Ein Haus, das allen und niemand gehört
■ Nach zehn Jahren Leerstand soll in der Stargarder Straße 52 ein Wohnprojekt entstehen
Der Runde Tisch in Prenzlauer Berg ist weder rund noch ein Tisch. Er ist eine Institution. Eine, die bei Konflikten zwischen Hausbesitzern und -bewohnern (und solchen, die es werden wollen) vermitteln soll. So auch im Fall des Hauses Stargarder Straße 52.
Bisher wird das Gebäude vom Bundesvermögensamt verwaltet, zugleich hat der Verein „Wohnen und Kulturkomitee“ (WKK) ein Auge auf das seit zehn Jahren leer stehende Haus geworfen. Bei einer „Versteigerung“ durch den Kabarettisten Dr. Seltsam hatte die Immobilie für 500 Mark am Dienstag den Besitzer gewechselt. Seitdem gehört sie „allen“ und wurde von einigen Neueigentümern bezogen. Doch die Polizei akzeptierte diesen kreativen Eigentumswechsel nicht und schritt zur Räumung.
Von den Kontrahenten setzten sich gestern nur das WKK an den langen, eckigen Verhandlungstisch. Das Vermögensamt ließ sich entschuldigen. Die Behörde habe das Haus im Mai letzten Jahres verkauft, hieß es in einer Fax-Stellungnahme. Man wolle nun aber den Käufer dazu bewegen, seine Verpflichtungen zu erfüllen.
Offiziell ist das Haus noch immer im Besitz des Bundes, da der Kaufvertrag noch nicht von sämtlichen Stellen abgesegnet ist. „Der Kaufpreis war für eine Zustimmung der Sanierungsverwaltungsstelle offensichtlich zu hoch“, vermutet Heinz Lochner von der Stadtentwicklungsgesellschaft Stern, genaues wusste aber niemand am Tisch. Weil Fakten und Besitzer fehlten, blieb dem Runden Tisch gestern nur eines: sich auf Donnerstag zu vertagen und zu fordern, dass die Anwohner bis dahin die Möglichkeit erhalten, Akteneinsicht zu nehmen.
Bis es so weit kommt, wollen die jungen Wohninteressenten täglich mit Aktionen auf ihr Projekt aufmerksam machen: In dem Haus soll nach Willen des WKK soziales selbstverwaltetes Wohnen für bis zu 20 Leute möglich sein, daneben eine Grünanlage entstehen. „Der Name Wohnen und Kulturkomitee ist bei uns Programm“, sagte WKK-Vertreter Christian A. gegenüber der taz. „Kaufen wollen wir das Haus aber nicht“, lieber hätte man einen Nutzungs- oder Pachtvertrag für das Gebäude. Da das Vermögensamt offenbar als „Spekulant“ auftrete, wollen die verhinderten Bewohner auch dort ihren Protest vortragen.
Schon am Mittwoch war ein Frühstück, am Donnerstag eine Tanz-und-Glühwein-Party vor dem Haus veranstaltet worden. Wegen der Transparente „Miethaie zu Fischstäbchen“ und „Die Häusersaison ist eröffnet“ werde das jugendliche Feiern, so ein Polizeisprecher, allerdings als unangemeldete Demonstration gewertet. Einer 29-jährigen für die Aktion „Verantwortlichen“ werde nun Verstoß gegen das Versammlungsgesetz vorgeworfen.
Dirk Hempel
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