UNO will tausende neue Blauhelme in Westafrika

UN-Sicherheitsrat diskutiert auf Vorschlag Großbritanniens eine Aufstockung derBlauhelmtruppe in Sierra Leone auf 11.100 Mann. Kofi Annan: Frieden „sehr zerbrechlich“

Berlin (taz) – Mit massivem Einsatz militärischer Mittel will die UNO verhindern, dass der Frieden im westafrikanischen Sierra Leone zusammenbricht. Der UN-Sicherheitsrat soll bis zum 20. Januar über einen britischen Resolutionsentwurf entscheiden, der eine Aufstockung der UN-Blauhelmtruppe im Land von derzeit maximal 6.000 auf 11.100 Mann vorsieht. Sierra Leone würde damit in den zweifelhaften Genuss des mit Abstand größten UN-Kontingents der Welt kommen.

Der Entwurf basiert auf Vorschlägen, die UN-Generalsekretär Kofi Annan in einem am Mittwoch veröffentlichten Bericht an den Sicherheitsrat macht. Darin äußert sich Annan pessimistisch über die Umsetzung des am 7. Juli 1999 unterzeichneten Friedensabkommens von Lomé, das acht Jahre Krieg in Sierra Leone beendete.

Der Frieden sei „sehr zerbrechlich“, warnte Annan. Er nannte eine „schnelle Erweiterung“ der UN-Mission „unumgänglich, um die notwendigen Voraussetzungen für die Umsetzung des Lomé-Abkommens beizubehalten, besonders das Programm zur Entwaffnung, Demobilisierung und Reintegration, die Ausdehnung der staatlichen Verwaltung auf das ganze Land und schließlich die Durchführung von Wahlen“.

In Sierra Leone begann 1991 Krieg, als die Rebellenbewegung Vereinigte Revolutionäre Front (RUF) gegen das damalige Zivilregime die Waffen erhob. Es folgten drei Militärputsche – einer davon mit Beteiligung der RUF. Zehntausende von Menschen wurden getötet und zwei Millionen vertrieben. 1999 schloss Präsident Ahmed Tejan Kabbah, der nur mit Hilfe der 14.000 Mann starken, von Nigeria dominierten westafrikanischen Eingreiftruppe Ecomog regiert, Frieden mit der RUF. Sie kam in den Genuss einer Amnestie und wurde in die Regierung aufgenommen.

Der Frieden wird nun von der UNO überwacht, deren Blauhelmtruppen schrittweise die Ecomog-Eingreiftruppe ablösen sollen. Weit verbreitet ist aber in der Hauptstadt Freetown die Angst, dass die Ecomog schneller abzieht als die UNO einrückt und dass so ein „Sicherheitsvakuum“ entsteht.

Von den einst geschätzten 45.000 Kämpfern aller bewaffneten Gruppen Sierra Leones sind immer noch etwa 33.000 unter Waffen. Von den einst 14.000 Ecomog-Soldaten sind aber nur noch 4.000 übrig, und die UNO hat erst 4.500 Soldaten entsandt. Diese genießen weniger Respekt als die kampferprobten und brutalen Soldaten aus Nigeria, die bis Mai komplett abziehen oder in die UN-Mission integriert werden sollen, und sind seit ihrem Einsatzbeginn am 29. November nur wenig aus der Hauptstadt in die Rebellengebiete vorgedrungen.

Kofi Annan schlägt nun eine Ausweitung des Mandats der UN-Soldaten vor: Sie sollen nicht nur beobachten, sondern in der Hauptstadt Freetown und dem nahe gelegenen Gebiet um den internationale Flughafen Lungi die Sicherheit gewährleisten. Dies wird keine einfache Aufgabe sein. „Die Sicherheitslage in Freetown verschlechtert sich“, schreibt das UN-Koordinierungsbüro für humanitäre Angelegenheiten“ (Ocha) in seinem jüngsten Lagebericht und meldet „zunehmende bewaffnete Raubüberfälle, falsche Straßensperren von ehemaligen Rebellen und jungen Männern, die Autos anhalten und um Geld bitten“. In den Lagern, wo sich demobilisierungswillige ehemalige Rebellen sammeln, gebe es regelmäßig Aufstände.

HInzu kommt, dass die politische Lage unklar ist. Die im Oktober gebildete Regierung unter Beteiligung der RUF-Rebellen besteht nur auf dem Papier, und die RUF hat sich gespalten: Militärführer Sam „Moskito“ Bockarie hat sich ins benachbarte Liberia abgesetzt und droht mit neuem Krieg, Rechtsberater Michael Golley ist nach Kroatien geflohen und plant die Gründung einer eigenen Partei. Dominic Johnson