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Anwälte befürchten „Highnoon“

Der Streit um das deutsche Stiftungsgesetz, das die Entschädigung ehemaliger Zwangsarbeiter regeln soll, ist in neuer Schärfe entbrannt ■ Von Christian Semler

Berlin (taz) – Zwei der zahlreichen Gebrechen des Entwurfs zum Stiftungsgesetz für die ehemaligen Zwangsarbeiter bringen jetzt das ganze Projekt wieder an den Rand des Scheiterns: die geplante „Anrechnung“ bislang erbrachter Leistungen auf die Entschädigungssumme, auch wenn diese Leistungen überhaupt nichts mit dem Faktum der Zwangsarbeit zu tun hatten; und die Regelung, nach der faktisch alle nicht unter Haftbedingungen eingesetzten Zwangsarbeiter, vor allem die in der Landwirtschaft Beschäftigten, leer ausgehen werden. Für die erste Gruppe setzen sich vor allem die amerikanischen Anwälte ein, für die zweite die ostmitteleuropäischen Regierungsvertreter.

Michael Hausfeld, Anwalt in einer der großen, mit der Vertretung von Zwangsarbeitern betrauten Washingtoner Kanzleien, sprach in den „Tagesthemen“ der ARD davon: „Was uns bevorsteht, würde man im Western Highnoon nennen.“ Gemeint hat er die Entscheidungssituation des Showdown. In der Tat ist die vom deutschen Finanzministerium ausgeknobelte Anrechnungsmethode vor allem für diejenigen jüdischen Opfer unannehmbar, die im Rahmen des Bundesentschädigungsgesetzes oder auf Grund anderer Regelungen Zahlungen erhalten haben – nur eben nicht für die von ihnen geleistete Zwangsarbeit. Hausfeld wurde von dem deutschen Kontaktanwalt Michael Witti sekundiert. Gegenüber dem Tagesspiegel erklärte er, es handele sich bei der Intervention nicht um eine bloße Drohgebärde. „Wir meinen es ernst.“

Für die tschechische Regierung griff deren Deutschlandexperte Jiři Žitler in die Debatte ein. Sein Angriff galt zum Einen der Bestimmung des Referentenentwurfs, nach der die Landarbeiter faktisch ausgeschlossen blieben. Zum Zweiten kritisierte er die ebenfalls vom deutschen Finanzministerium ausgeheckte Bestimmung, nach der Entschädigung nur an diejenigen Zwangsarbeiter ausbezahlt werden soll, die ins Deutsche Reich in den Grenzen von 1937 verschleppt worden sind. Eine solche Einschränkung würde alle Opfer ausschließen, die im „Reichsprotektorat“ Böhmen und Mähren (und im polnischen Generalgouvernement) zur Arbeit gepresst worden sind.

Heike Sudmann, Hamburger Abgeordnete der Gruppe „Regenbogen“, gab der innenpolitischen Diskussion, wer wieviel und wann in den Zwangsarbeiterfonds einzahlen solle, gestern eine neue Wendung. Sie informierte, dass die Deutsche Bundesbank 1978 1,8 Millionen Mark (damaliger Rechnung) in ihr eigenes Vermögen eingestellt und anschließend dem Bundeshaushalt überwiesen hat. Bei dieser Summe handelt es sich laut Auskunft der Bundesbank um den „unanbringlichen“ Rest aus Konten, die 1946 kraft alliierter Weisung zur Befriedigung von Lohnansprüchen ehemaliger Zwangsarbeiter eingerichtet worden waren. „Regenbogen“ fordert, die Ausbuchung als „Irrtum“ zurückzunehmen und das Geld in heutiger Kaufkraft dem Stiftungsfonds zu überweisen.

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