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Kanzler als Bafög-Rambo

■ Schröder kippt Bafög-Reform.Grüne Bildungspolitiker schlagen Krach

Schröders Argument: Kindergeld und Freibeträge seien von vielen Eltern zur Finanzierung ihrer Häuschen eingeplant

Berlin (dpa) – Bundeskanzler Gerhard Schröder hat mit seinem überraschenden Veto gegen eine große Bafög-Reform nicht nur die gesamte Fraktionsspitze und Teile der SPD verärgert. Auch die Grünen kündigen nur einen Koalitionskrach an. Der Kanzler, so der Grünen-Abgeordnete Mathias Berninger, könne sich nicht „im Alleingang“ von den Koalitionsvereinbarungen verabschieden.

Ohne Not hatte Schröder am vergangenen Freitag bei der Klausur des Fraktionsvorstands in Bonn das Bafög-Konzept der Sozialdemokraten mit einem Handstreich vom Tisch gewischt. „Unsere Glaubwürdigkeit bei Studenten und Eltern ist dahin“, klagten übereinstimmend Teilnehmer nach der Sitzung. Über vier Jahre hatten die SPD-Bildungs- und Familienpolitiker an dem Konzept gearbeitet, das bisherige Kindergeld und die Freibeträge bei der Steuer zu einem einheitlichen Ausbildungsgeld für alle 1,8 Millionen Studenten zusammenzuführen. Gedacht war zuletzt an 400 Mark monatlich.

Der sozialdemokratische Parteitag im Dezember hatte diese Linie im Leitantrag noch einmal ausdrücklich bestätigt. Als Ministerpräsident in Niedersachsen hatte Schröder den Plan per Kabinettsbeschluss nachdrücklich unterstützt. Die Unions-regierten Länder Sachsen und Bayern halfen bei den Vorarbeiten mit. Ziel war, die „Ungerechtigkeit“ zu beseitigen, dass durch die Steuerprogression reiche Eltern vom Staat pro studierendes Kind monatlich über 500 Mark Entlastung erhalten, arme Familien dagegen nur 250 Mark Kindergeld.

„Eher aus dem Bauch heraus“, so ein Teilnehmer der Vorstandssitzung, habe der Kanzler das Bafög-Modell torpediert. Schröders Argument: Kindergeld und Freibeträge seien von vielen Eltern zur Finanzierung ihrer Häuschen und Wohnungen fest eingeplant. Folglich könne man das Geld nicht einfach an die Studenten auszahlen. Im Bildungsministerium geht man in der Tat davon aus, dass bei etwa 20 Prozent der Studenten dieses Geld überhaupt nicht ankommt. Weil Kinder selten ihren Unterhalt gegen die eigenen Eltern einklagen, hat das Jobben während des Studiums immer mehr zugenommen.

Bildungsministerin Edelgard Bulmahn muss nach dem gescheiterten SPD-Wahlversprechen eines bundesweiten Studiengebührenverbots jetzt die zweite große Niederlage einstecken. Schröder habe vor dem Fraktionsvorstand vorgeführt, „dass er mit uns machen kann, was er will“, sagte ein Abgeordneter.

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