piwik no script img

Ein Krümel Protest

■ Ein Jahr und vier Monate Haft auf Bewährung für Harburger Hasch-Rebellen

Dass Hasch-Rauchen auf der Party für Jugendliche zur Alltagskultur gehört wie für Arbeitnehmer das Feierabend-Bier, zeigt die Geschichte von Marco S. Mit Freunden hat er geraucht, zuhause und unterwegs, und als er in „einem Jugendclub“ hinter dem Tresen stand, verkaufte er neben Bier auch Dope. „Ich habe mir darüber gar keine Gedanken gemacht“, sagt der 30-Jährige in Hinblick auf die Anklage wegen Dealerei, wegen der er sich plötzlich vor Gericht wiederfindet. „Für mich war das damals das Gleiche, wie Alkohol zu verkaufen.“ Das Verfahren wird eingestellt.

Das gegen den Hauptangeklagten Rigo M. nicht. Er soll den Laden betrieben haben, den Marco S. als „Jugendclub“, die Staatsanwaltschaft als „Coffee-Shop“ bezeichnet. Auch für Rigo M. ist Cannabis mit Alkohol gleichzusetzen. Seit Jahren tritt der 47-Jährige offensiv für eine Freigabe weicher Drogen ein: Durch Plakatkampagnen einerseits, durch offenen Verkauf andererseits. Im Frühjahr 1994 eröffnete er in Harburg mit einem Freund das Bistro „Buffy“. Das Ordnungsamt entzog die Konzession, kurz darauf machten die beiden ebenfalls in Harburg das „Yaqui“ auf.

So ist es auch nicht das erste Mal, dass Rigo M. wegen Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz vor Gericht steht. Das Hamburger Landgericht verurteilte ihn bereits einmal zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren auf Bewährung. Nun stand in der Anklage, dass Rigo M. zwischen 1995 und 1997 weiterhin mit weichen Drogen „vorsätzlich aus einem Lokal heraus gehandelt“ haben soll.

Mal fingen die Fahnder KonsumentInnen ab, die jeweils zwischen einem und zwei Gramm Dope bei sich trugen, mal entdeckten sie bei Rigo M. selbst Hasch, 0,6 Gramm, „ein Krümel“, wie sein Anwalt Martin Lemke spottet. Bei einer Hausdurchsuchung fand die Polizei im Keller wirkstoffhaltige Pilze und Haschpflanzen.

„Sie haben mit untauglichen Mitteln versucht, die Freigabe von Hasch durchzusetzen“, hält der Richter dem Angeklagten vor. Anwalt Lemke mahnt noch mit einem Zitat von Mick Jagger, man solle „Menschen für Verbrechen verurteilen und nicht für die Ängste der Gesellschaft“, ehe das Gericht Rigo M. zu einem Jahr und vier Monaten auf Bewährung verurteilt. Elke Spanner

Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen

Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen