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Immer weniger Sozialhilfe

■ Nullwachstum im Sozialetat bedeutet für Hilfe-EmpfängerInnen ein Minus: Integration wird gefördert, der Rest weiter gekürzt

Auch wenn der große Millenium-Crash ausgeblieben ist, der die Auszahlung der Sozialhilfe verhindert hätte: Für Sozialhilfe-EmpfängerInnen bringt das neue Jahr nichts Gutes. Wie für den ganzen Etat des Sozialressorts lautet die Vorgabe auch bei den Sozialhilfe-Ausgaben striktes Nullwachstum – unabhängig von der Zahl der Leis-tungsempfänger. Das heißt, wenn die Zahl der Anträge auf Sozialhilfe steigt, müssen die pro Kopf bewilligten Leistungen sinken, um im Kostenrahmen zu bleiben. Nur wenn das Antragsaufkommen nachweislich aufgrund von äußeren Faktoren wie geänderten Bundesgesetzen steigt, kann das Sozialressort mit dem Finanzsenator nachverhandeln.

Das Sozialressort versucht daher, die Zahl der Sozialhilfe-EmpfängerInnen durch die sogenannte „strategische Sachbearbeitung“ zu senken: In Modellprojekten einzelner Sozialämter sollen eigens abgestellte BeraterInnen mit den Antragstellern intensiv nach Auswegen aus der Sozialhilfe suchen. Dazu wurde ergänzend das Programm „Hilfe zur Arbeit“ ausgebaut, das Beschäftigung und Qualifizierung auf dem zweiten Arbeitsmarkt bietet (die taz berichtete). Ziel ist es, möglichst allen neuen AntragstellerInnen eine Beschäftigung anzubieten. Lehnen sie die Angebote ab, droht der Verlust des Leistungsanspruchs.

Angesichts dieser Konzentration auf den Ausstieg befürchten Vertreter des Bremer Arbeitskreises Sozialhilfe Nachteile für jene, die keine Alternative zur Sozialhilfe haben, weil sie nicht arbeiten können: Kinder, Alte, Kranke und alleinerziehende Mütter. Sie machen fast 90 Prozent der Leistungsempfänger aus.

Berndt Korten vom Arbeitslosenzentrum Tenever beobachtet bereits, dass sich der Umgangston der Sachbearbeiter verschärft. In Zukunft sollen die ohnehin schon überlasteten MitarbeiterInnen noch 20 Prozent mehr Fälle bearbeiten. Schon jetzt stauen sich die Anträge auf den Schreibtischen. Durch die Abschaffung der offenen Sprechstunde hat sich zwar die Situation auf den Fluren der Sozialämter entspannt. Aber Ratsuchende telefonieren oft tagelang hinter ihrem Sachbearbeiter her, um einen Termin zu vereinbaren. Es gibt keine Telefonzentrale, die in dringenden Fällen einen schnellen Kontakt herstellen könnte, berichten die unabhängigen Berater aus dem Arbeitskreis. Die von Senatorin Hilde Adolf (SPD) angekündigte Kundenorientierung der Sozialämter können sie bislang nicht entdecken.

Auch konkrete finanzielle Nachteile mussten die SozialhilfeempfängerInnen bereits hinnehmen: Bei den einmaligen Leistungen traten zum Oktober 1999 Kürzungen in Kraft. Die Bekleidungspauschale wurde von 678 auf 600 Mark im Jahr gesenkt; auch bei den Pauschalen für Sonderbedarfe wurde gekürzt. Im sogenannten Sachkatalog, der festlegt, wie viel Geld für Anschaffungen bewilligt wird, wurden die Richtwerte ebenfalls herabgesetzt. Einige Positionen, wie ein Schreibtisch oder eine Wickelkommode, wurden sogar ganz gestrichen, werden also vom Sozialamt nicht mehr bezahlt. Die Behörde will mit diesen Maßnahmen in den nächsten beiden Jahren zwischen drei und vier Millionen Mark sparen.

Demnächst könnte es noch dicker kommen: Als eines der ersten Bundesländer will Bremen am Anfang des Jahres eine Musterverordnung zur Umsetzung des neuen Paragraphen 101a im Bundessozialhilfegesetz erlassen. Damit wird die Pauschalierung von weiteren Leistungen bis hin zu den Unterkunftskosten möglich. Im Arbeitskreis Sozialhilfe befürchtet man, dass es zu weiteren Standardabsenkungen kommt, wenn nicht mehr der tatsächliche Bedarf zugrunde gelegt wird. Zumindest, so wird gefordert, müssten LeistungsempfängerInnen nach wie vor Sonderbedarfe geltend machen können – so etwa aus medizinischen Gründen.

Bei den Unterkunftskosten tickt auch ohne Pauschalierung eine Zeitbombe: Viele Bremer Wohnungen fallen in den nächsten Jahren aus der Sozialbindung und werden danach so teuer, dass das Sozialamt die Miete nicht mehr übernimmt. Ganze Stadtteile sind davon betroffen. Um die massenhafte Verdrängung von MieterInnen zu vermeiden müsste hier eine Ausnahmeregelung getroffen werden, die Übernahme höherer Mieten gestattet. Das Sozialressort prüft derzeit das Ausmaß des Problems.

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