: Rot-Grün will alternativ strafen
Mit Fahrverboten und gemeinnützigen Arbeiten will die Koalition künftig auf einfache Kriminalität reagieren. Die geplante Reform ist kein großer Wurf ■ Von Christian Rath
Freiburg (taz) – Die Reform wird bescheidener ausfallen als erwartet. Bei der Ergänzung des „strafrechtlichen Sanktionensystems“ haben sich die Fraktionen von SPD und Grünen jetzt auf eher bescheidene Ziele geeinigt.
Vor allem beim Fahrverbot haben sich die vorsichtigen Stimmen in beiden Fraktionen durchgesetzt. Für Diebe und Betrüger wird es auch künftig bei den üblichen Sanktionen – Gefängnis oder Geldstrafe – bleiben. Es sei denn, sie sind jeweils mit ihrem Kraftfahrzeug zum Tatort gefahren. Denn ein Fahrverbot soll sich auch weiterhin auf Straftaten beschränken, die „bei oder im Zusammenhang mit dem Führen eines Kraftfahrzeugs“ begangen wurden.
Geplant sind nur zwei eher geringfügige Änderungen: Künftig kann der Führerschein sechs statt bisher nur drei Monate lang eingezogen werden, und die Sanktion kann auch als „Hauptstrafe“ verhängt werden, nicht nur neben Geld- oder Bewährungsstrafe. Im Übrigen bleibt der dauerhafte Führerscheinentzug nach einer Trunkenheitsfahrt als präventive „Maßregel“ weiter möglich.
Größere Bedeutung könnte ein anderer Punkt des Reformkonzepts erlangen. Danach sollen Täter eine Geldstrafe dadurch vermeiden können, dass sie „gemeinnützige Arbeit“ leisten. Es soll dabei nicht einmal darauf ankommen, ob sie diese bezahlen könnten. Auch Freiheitsstrafen bis zu sechs Monaten sollen auf diesem Wege abgewendet werden können. Nach der nun vorgeschlagenen Lösung kann die „gemeinnützige Arbeit“ allerdings nicht gegen den Willen des Verurteilten angeordnet werden, da das Grundgesetz „Zwangsarbeit“ außerhalb des Gefängnisses ausdrücklich verbietet. Durch einen attraktiven Umrechnungsmaßstab sollen die Straftäter jedoch zur Wahl der gemeinnützigen Arbeit animiert werden. Ziel ist eine Entlastung der Strafanstalten. Außerdem wird gehofft, dass die betreute Mitarbeit in Sozial- und Öko-Projekten bei den Straftätern positive Wirkung zeitigt.
Auf diese und weitere Eckpunkte einigten sich die Rechtsexperten von SPD und Grünen nach mehrmonatigen Beratungen im Dezember. Dies bestätigen Volker Beck, der rechtspolitische Sprecher der Bündnisgrünen, und Jürgen Meyer, der Verhandlungsführer der SPD. Ein ausformuliertes Eckpunktepapier liegt aber noch nicht vor. Mit der Veröffentlichung der Koalitionslinie soll gewartet werden, bis eine Expertenkommission unter dem CDU-Rechtspolitiker Horst Eylmann Ende Februar ihren Abschlussbericht vorgelegt hat.
Die Eylmann-Kommission, der Politiker, Justizvertreter, Ministerialbeamte und Wissenschaftler angehören, wurde noch vom Justizminister der Kohl-Regierung, Edzard Schmidt-Jortzig (FDP), eingesetzt. Auch sie soll ein Konzept zur „Reform des Sanktionensystems“ erarbeiten. Die Kommission gilt als eher konservativ und Neuerungen gegenüber wenig aufgeschlossen. Justizministerin Herta Däubler-Gmelin (SPD) hat von ihr bereits als „Verhinderungskommission“ gesprochen. Allzu änderungswillig sind allerdings auch die Rechtspolitiker der Koalition nicht. So erteilen sie dem „elektronisch überwachten Hausarrest“ als Regelsanktion eine klare Absage. Die Grünen haben durchgesetzt, dass nicht einmal der von Baden-Württemberg und Hamburg geplante Modellversuch erlaubt werden soll. Auch das von Däubler-Gmelin in die Diskussion gebrachte Strafgeld für Ladendiebe wird von der Koalition nicht unterstützt. Wiederum mauern vor allem die Grünen. Sie wollen verhindern, dass die Polizei selbst Sanktionen verhängen darf.
Geprüft wird dagegen noch, ob künftig auch strafrechtliche Maßnahmen gegen Unternehmen möglich sind. Für das deutsche Recht wäre dies ein Novum. Hier sind nun die Grünen aufgeschlossener als die Sozialdemokraten.
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