Frankreich importiert jetzt auch die Ökosteuer

Jospins Konzept: Benzin soll einen Pfennig teurer werden, die Industrie für Treibhausgase zahlen ■ Von Matthias Urbach

Berlin (taz/AFP) – Lange waren die Franzosen die heftigsten Gegner einer EU-weiten Ökosteuer, nun führen sie unter der Regierung des Sozialisten Lionel Jospin selbst eine ein. Danach soll künftig der Benzinpreis jährlich um rund einen Pfennig steigen. Das ist zwar deutlich weniger als in Deutschland, bislang sind die Benzinpreise in Frankreich aber rund zehn Pfennig höher als hier zu Lande.

Vor allem aber will der französische Ministerpräsident auch die Industrie mit einer Steuer auf den Kohlendioxidausstoß belegen. Sie soll ab 2001 zwischen 45 und 60 Mark pro ausgestoßener Tonne des Abgases betragen und schließlich bis 2010 auf rund 150 Mark ansteigen.

Die Höhe des Industriesatzes ist mit der deutschen Steuer schwer zu vergleichen. Einerseits ist der Satz deutlich höher als bei uns. Denn rechnet man die hiesigen Sätze für die Steuer auf Gas oder Heizöl auf die Menge des dabei ausgestoßenen Kohlendioxides um, kommt man nur auf einen Satz von rund 13 bis 16 Mark.

Rechnet man gar die deutsche Stromsteuer in Kohlendioxidausstoß um, kommt man auf höchstens 45 Mark pro Tonne – und wer aus der Industrie den ermäßigten Satz zahlen muss, kommt hier zu Lande sogar mit maximal neun Mark davon. Andererseits kommt in Frankreich drei Viertel des Stroms aus Atomkraftwerken (in Deutschland ein Drittel) und der Rest überwiegend aus Wasserkraftwerken. Deshalb wird dort kaum Kohlendioxid bei der Stromproduktion frei, weswegen der Ökosteuersatz zumindest auf den Stromverbrauch kaum spürbar sein wird. Die französische Industrie wird dafür für die Wärmeerzeugung mit Kohle, Gas und Öl kräftig zahlen müssen.

Wie es unter Mitarbeitern des französischen Umweltministeriums heißt, war die deutsche Ökosteuer ein wichtiger Anstoß auch für Frankreichs Regierung, eine solche Steuer einzuführen. Die Einnahmen aus der Ökosteuer will die französische Regierung zumindest teilweise an anderer Stelle dem Steuerzahler wieder zugute kommen lassen wie die deutsche Bundesregierung. Wohin das Geld genau fließen soll, ist unklar. Bisher ist neben der Unterstützung der öffentlichen Verkehrsmittel von einer „Senkung anderer Steuern und Abgaben“ die Rede. Die Opposition wirft Jospin vor, er wolle nur eine zusätzliche Einnahmequelle erschließen und davon die kürzlich beschlossene 35-Stunden-Woche bezahlen.

Frankreich will mit der Ökosteuer sein Klimaschutzziel erreichen: Im Rahmen des innereuropäischen Lastenausgleiches hat sich Frankreich verpflichtet, bis 2010 seinen Ausstoß an Treibhausgasen im Vergleich zu 1990 zu stabilisieren. Würde Frankreich nichts unternehmen, stiege sein Ausstoß bis 2010 Prognosen zu Folge um mehr als ein Fünftel. Insgesamt müssen die EU-Staaten bis 2010 ihren Ausstoß um 8 Prozent mindern. Weltweit haben sich die Industriestaaten in Kioto 1997 auf eine Minderung des Ausstoßes von Treibhausgasen um 5,2 Prozent bis 2010 geeinigt.

Mit der Ökosteuer zusammen stellte Jospin ein Katalog von 96 einzelnen Klimaschutzmaßnahmen vor. Die an der Regierung beteiligten französischen Grünen kritisierten das Programm allerdings als „vollkommen unzureichend“. Besonders vermissen sie mehr Maßnahmen zur Minderung der Autoabgase.

Der Autoverkehr trägt zu einem Drittel zu Frankreichs Treibhausgasausstoß bei. Wie in allen EU-Staaten werden im Verkehr die höchsten Steigerungsraten erwartet, falls man nichts unternimmt. Den Grünen ist nicht nur der eine Pfennig Benzinsteuer zu wenig, sie hatten auf die Einführung von Tempobegrenzern in Autos gehofft. Außerdem ärgern sich die Grünen über den Erfolg der französischen Spediteure: Die hatten jüngst durch Blockaden die Rückvergütung eines Teils der Dieselsteuer durchgesetzt.

Im Rahmen ihrer Klimaschutzbemühungen will die französische Regierung ein europaweites Tempolimit durchsetzen (siehe Kasten). Dies soll ausdrücklich auch den Temporausch auf deutschen Straßen beenden.

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