Mit Dudelautomaten auf Du und Du: Spielen ist out
Berlin (taz) – Deutschlands Spielautomatenbranche kann sich schon seit Jahren nicht mehr freuen. Die Entwicklung gebe „Anlass zu tiefer Sorge“, klagt der Verband am Rande der Internationalen Fachmesse Unterhaltungs- und Warenautomaten, die gestern in Nürnberg zu Ende ging. Die blinkenden, dudelnden Groschengräber werden in immer mehr Kneipen abgehängt, ein wissenschaftliches Gutachten bezeichnete die Gestaltung der meisten einarmigen Banditen sogar als „zu abstoßend“. Die Hersteller und Großhändler von Automaten verzeichnen seit 1996 Umsatzrückgänge um 30 bis 40 Prozent. Die nach Angaben des Verbandes mehr als eine Milliarde Mark verschlingende Umstellung auf den Euro steht noch bevor.
Selbst der Marktführer, die ostwestfälische Gauselmann AG, musste im Jahr 1999 einen leicht gesunkenen Inlandsumsatz verdauen und konnte das Konzernergebnis nur durch verstärkte Auslandsaktivitäten auf 1,1 Milliarden Mark steigern. Immerhin erhielt das Unternehmen – als einziges unter den Europäern – eine Lizenz für den US-Bundesstaat Nevada mit der Spielerhochburg Las Vegas.
Im Inland versucht Familie Gauselmann, zu deren Imperium auch rund 150 Spielotheken gehören, mit neuen Unterhaltungsgeräten Furore zu machen. So können Zocker beim „Tip Star“ Sportwetten abgeben, per Automat an Skatturnieren teilnehmen, Roulette oder Black Jack an bunten, blinkenden Maschinen spielen und mit Fahrsimulatoren über bekannte Formel-1-Rennstrecken rasen. Zwar hat die Branche viel zu spät auf die Konkurrenz durch Video- und Computerspiele reagiert und ist nach Verbandsangaben dabei, eine ganze Generation von Kunden zu verlieren. Doch Gauselmann setzt nun vor allem auf die Entwicklung neuer Geräte und Spielideen. Ausgeklügelte Unterhaltungsautomaten, so der Juniorchef des Unternehmens, seien inzwischen mit Programminhalten ausgestattet, die jeden heimischen Computer aufgrund der Datenmenge überfordern würden. Horst-Peter Wickel
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