: Politchaos in Österreich
Haider will Gespräche mit der ÖVP – Klima wirbt für Minderheitenkabinett
Wien (dpa/AP) – Die Freiheitliche Partei Österreichs (FPÖ) unter dem Rechtspopulisten Jörg Haider hat dem österreichischen Bundespräsidenten Thomas Klestil vorgeworfen, gegen die Demokratie vorzugehen. Klestil hatte, um das Ansehen Österreichs im Ausland zu wahren, die FPÖ von Koalitionsverhandlungen ausgeschlossen und die Sozialdemokraten (SPÖ) nach den gescheiterten Verhandlungen mit der Volkspartei (ÖVP) zur Bildung eines Minderheitenkabinetts aufgefordert. „Klestil hat sich schon jetzt eine rote Nase geholt, wenn er auch einen blutigen Kopf will, soll er weiter gegen die Mauer des Bürgers rennen“, sagte der stellvertretende Parlamentspräsident und FPÖ-Spitzenpolitiker Thomas Prinzhorn dem heute erscheinenden Magazin Format.
Haider selbst kündigte in der Zeitschrift an, er werde nicht mehr auf einen Auftrag durch Klestil warten und Regierungsgespräche mit der Volkspartei beginnen. Innerhalb einer Woche könne eine ÖVP/FPÖ-Regierung stehen. Klestil könne eine solche Regierung mit breiter Mehrheit im Parlament nicht verhindern. Die Unterstützung einer SPÖ-Minderheitsregierung schloss Haider aus. Auch der bisherige Koalitionspartner der Sozialdemokraten, die Volkspartei, lehnte jede Unterstützung des geplanten Minderheitskabinetts ab. Selbst bei der Verabschiedung des Staatshaushaltes werde die ÖVP nicht mit der SPÖ stimmen, kündigte der ÖVP-Fraktionsvorsitzende Andreas Khol an.
Der österreichische Bundeskanzler und SPÖ-Vorsitzende Viktor Klima, der inzwischen auch eine spätere Koalition mit der FPÖ nicht mehr grundsätzlich ausschließen will, forderte Haider unterdessen zur Unterstützung einer möglichen SPÖ-Minderheitsregierung auf. Haider solle beweisen, dass er „in der Lage ist, auch ohne einen Pakt im Interesse des Staates zusammenzuarbeiten“, sagte Klima.
Teile der österreichischen Presse übten am Wochenende massive Kritik am Bundespräsidenten. Klestils Verhalten „bedeutet eine nationale Katastrophe“, schrieb die konservative Zeitung Die Presse. Andere Tageszeitungen schlossen sich der Kritik an.
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