: Öliger Crossover-Rock in Designer-Posen
■ Sehen in echt auch gar nicht so toll aus: „Bush“ in der ausverkauften Großen Freiheit
Es ist einfach Rockmusik? Das gilt nicht für Muse aus Nordengland. Sie haben gerade ihr erstes Album Showbiz veröffentlicht und durften sogleich mit Bush auf Tournee. Am Montag abend in der ausverkaufteß Freiheit genossen sie nicht gerade die idealen Bedingungen, um ihren glamourösen Rock zu präsentieren, denn wie dort üblich kriegen die Support-Bands niemals den fetten Sound, den die Hauptband bekommt.
Muse hätten folglich wie Brei klingen müssen, konnten dies aber mit Spielfreude und einem großartigen Sänger/Gitarristen locker von sich weisen. Der ließ seine Stimme derart lustvoll Höhen und Tiefen ausloten, als wären Jeff und Tim Buckley gemeinsam von den Toten auferstanden. Schade, dass Muse nicht länger als 40 Minuten spielten. Aber die meisten Leute, hauptsächlich jung, ungefähr zu gleichen Teilen weiblich und männlich, waren hinsichtlich Muse auch längst nicht so euphorisch wie die Autorin und wachten erst auf, als Bush auf der Bühne erschienen.
Die packten ihren öligen Crossover-Rock aus den Dosen und sofort schienen die meisten Zuschauer in eine Art kollektive Andacht zu fallen oder übten Stage Diving und Sich-über-Köpfe-tragen-lassen. Komisch. Alle schienen in den hämmernden, dumpfen Songs von Bush richtig aufzugehen, in diesem völlig unoriginellen, freud- und humorlosen Crossover-Kram.
Nicht, dass ich irgendwelche Erwartungen gehabt hätte. Eigentlich wollte ich ja nur überprüfen, ob der Sänger wirklich so gut aussah, wie überall zu lesen. In Wirklichkeit sieht er aus wie eine designermäßig verlebte Rockdiva mit frisch gefönter Wellenfrisur à la Tom Jones. Wobei der aber singen kann. Mr. Bush hingegen versucht, wie Kurt Cobain zu klingen, hat dafür wohl einige Flaschen Whisky getrunken, vor dem Spiegel ein bisschen Posing mit Gitarre geübt, seinen Körper gestählt und darüber vergessen, dass Nirvana neben der Optik auch noch Inhaltliches zu bieten hatten.
Bei Bush gibt es nur Schema F (wie Fake): Der Sänger/Poser-Gitarrist reißt sich irgendwann das nasse Shirt vom Leib. Der zweite (gute!) Gitarrist ist nicht so ansehnlich. Der Schlagzeuger spielt mit Handschuhen, igitt, und drischt seine armen Schlagzeugfelle zu Tode. Der Bassist? Keine Ahnung. An diesem Abend kannte kaum ein Zuschauer die Song-Abläufe, die meisten applaudierten an den falschen Stellen. Machte nichts, störte nur mich. Dann fiel mir eine Zeile von Courtney Love ein, die ganz passend klang: I fake it so real I am beyond real. Aber das war fast zu hoch gegriffen, denn das war eine Aussage, die es bei Bush nicht gab. Für viele an diesem Abend mag das einfach Rockmusik gewesen sein. Für andere dagegen gar nichts.
Barbara Schulz
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen