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Prüfen ohne Ende

■ Erst zwei Betriebe der Stadt haben angekündigt, sich am Entschädigungsfonds für Zwangsarbeiter zu beteiligen. Auch der Senat hat noch nicht endgültig beschlossen

Die Entschädigung ehemaliger Zwangsarbeiter kommt nur zögerlich in Bewegung. Bisher haben nur zwei Berliner Firmen öffentlich ihre Bereitschaft erklärt, sich am Entschädigungsfonds zu beteiligen. Auch der Senat hat bisher nur grundsätliche Bereitschaft signalisiert, sich an dem Fonds zu beteiligen. Eine Entscheidung steht aber noch aus.

Mittlerweile sei eine ganze Reihe von Anfragen von Firmen eingegangen, die sich möglicherweise am Fonds beteiligen wollen, sagte gestern der Sprecher der Industrie- und Handelskammer (IHK), Egbert Steinke. Ob man dies bereits als positives Signal bewerten könne, sei allerdings schwer zu entscheiden. Im Dezember hatte die IHK an die Berliner Unternehmen appelliert, sich an den Entschädigungszahlungen zu beteiligen, auch wenn sie selbst keine Zwangsarbeiter im NS-Regime beschäftigt hatten.

Konkret ist allerdings seitdem wenig geschehen. Erst zwei Firmen der Stadt haben verbindlich Zahlungen zugesagt: die Bewag und Schering. Auch die Berliner Bankgesellschaft taucht als Stiftungsmitglied auf der Homepage der Initiative auf. Ein Sprecher der Bank schaltete gestern allerdings einen Gang zurück: „Wir haben viel Verständnis für die Initiative, aber wir haben noch keinen verbindlichen Beschluss gefasst.“

Anders die Babcock-Borsig AG, die nach Angaben eines Firmensprechers derzeit rund 300 Mitarbeiter in Berlin beschäftigt: „Wir machen mit“, hieß es gestern. Deutschlandweit hatte die Babcock nach IG-Metall-Recherchen mindestens 570 Zwangsarbeiter beschäftigt.

„Wir nehmen die Sache sehr ernst“, sagte gestern ein Sprecher der Berliner Wasserbetriebe. In der kommenden Woche werde das Thema auf der Tagesordnung der Vorstandssitzung stehen. Danach könne über eine mögliche Beteiligung entschieden werden.

Auch beim Bekleidungshaus Peek & Cloppenburg dauern die Überprüfungen an. Nach Recherchen des Lichtenberger Heimatmuseums mussten Zwangsarbeiterinnen für das Unternehmen Uniformen nähen. „Wir prüfen diesen Sachverhalt sehr genau“, so eine Sprecherin gestern. Ein Ergebnis sei erst in ein, zwei Monaten zu erwarten. Bei der Firma Knorr-Bremse in München, deren Lichtenberger Tochter ebenfalls Zwangsarbeiter ausbeutete, war keine Stellungnahme zu erhalten. Ebenso nicht bei Schultheiss, deren jüngst aufgekaufte Tochter Engelhardt Zwangsarbeiter hatte. Heute wird die Berliner Geschichtswerkstadt eine Liste mit Berliner Firmen veröffentlichen, die Zwangsarbeiter ausbeuteten.

Auch der Senat wartet weiter ab. In einem Gespräch zwischen Bundeskanzler Schröder und den Ministerpräsidenten der Länder habe Berlin wie die anderen Bundesländer signalisiert, sich an dem von der Bundesregierung geplanten Entschädigungsfonds zu beteiligen, sagte gestern der stellvertretende Senatssprecher Eduard Heußen. „Dazu besteht die grundsätzliche Bereitschaft.“ Wie diese Beteiligung aussehen soll, stehe nicht fest. „Wir warten auf eine Konkretisierung der Bundesregierung“, so Heußen. In der Finanzverwaltung geht man davon aus, dass der Bundesfinanzminister seinem Berliner Kollegen in der kommenden Wochen konkrete Vorschläge unterbereiten wird. In der Finanzverwaltung gebe es zwar bereits Vorstellungen, wie eine Beteiligung Berlins aussehen könne, öffentlich äußern wolle man sich aber dazu nicht, so ein Sprecher der Finanzverwaltung. Vermutet wird, dass sich die Beteiligung der Länder an gängigen Größen wie dem Steuereinkommen orientieren werde. Grüne und PDS fordern heute per Antrag im Abgeordnetenhaus, dass sich das Land an dem Fonds beteiligt. Außerdem soll der Senat auf Unternehmen einwirken, in den Fonds einzuzahlen. rot, sam

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