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Gentech-Produkte ohne Grenzen

Staaten suchen eine Einigung über den Handel mitGentech-Produkten. EU will schützende Grenzen, USA blockieren

Berlin (taz) – Diese Woche entscheidet sich, was künftig Vorrang hat: Umweltschutz oder Handelsfreiheit. Vertreter von 134 Staaten streiten seit Montag in Montreal über ein gemeinsames Protokoll zur biologischen Sicherheit. An dem „Biosafety Protocol“ wird seit Jahren gefeilt. Mit dem Vertragswerk sollen international verbindliche Regelungen zum Schutz der Artenvielfalt und der genetischen Ressourcen eingeführt werden, vor allem aber soll geregelt werden, wie der grenzüberschreitende Handel mit genveränderten Organismen. Und hier prallen auch die unterschiedlichen Interessen aufeinander.

Die meisten Entwicklungsländer und auch die Europäische Union (EU) wollen sich das Recht vorbehalten, die Einfuhr von genmanipulierten Organismen zu verbieten, wenn sie Gefahren für die Umwelt oder Gesundheit befürchten. Grundlage der Konvention, so die Umweltkommissarin der EU, Margot Wallström, müsse das „Vorsorge-Prinzip“ sein, die Unschädlichkeit der Produkte müsse also von den Anbietern nachgewiesen werden. Das sei insbesondere für solche Länder wichtig, die bislang weder Erfahrungen im Umgang mit genmanipulierten Organismen hätten noch eigene Kontrollbehörden – wie viele Entwicklungsländer. Gefordert wird neben einer generellen Kennzeichnungspflicht auch, dass die Exporteure den Empfängerländer vor einer Lieferung alle relevanten Informationen über den Gentech-Organismus zur Verfügung stellt, so dass eine eigene Sicherheitsbewertung durchgeführt werden kann. Dem gegenüber steht die sogenannte Miami-Gruppe, die unter der Federführung der USA dafür eintritt, dass der Ex- und Import von genmanipulierten Produkten unter die Regelungen der Welthandelsorganisation WTO fallen. Demnach darf ein Verbot nur erteilt werden, wenn wissenschaftliche Nachweise vorliegen, das von den Gentech-Produkten eine Gefahr ausgeht.

Bei den vorangegangen sieben Verhandlungsrunden hatten die Hauptexporteure von genmanipulierten Agrarerzeugnissen, USA, Kanada, Australien, Chile und Uruguay, es wiederholt geschafft, eine Einigung zu verhindern. Diese Miami-Gruppe, so die Kritik von Umweltschutzorganisationen, trete als Bremser auf, weil sie kein Interesse an Regelungen haben, die ihre Gentech-Exporte behindern, sondern nur daran, die Investitionen ihrer Gentech-Industrie zu schützen.

Eine paradoxe Situation, denn die USA haben kein offizielles Mitspracherecht bei den Verhandlungen über das Biosafety-Protokoll, da sich der Senat in Washington bisher geweigert hat, der 1992 in Rio de Janeiro verabschiedeten Konvention über den Schutz der biologischen Vielfalt beizutreten. In der Rio-Konvention, die inzwischen von 176 Staaten unterschrieben worden ist, wurde seinerzeit festgelegt, ein Biosafety-Protokoll auszuarbeiten.

Strittig ist vor allem noch, welche Produkte überhaupt unter das Biosafety-Protokoll fallen sollen. Die EU und die Mehrzahl der Entwicklungsländer bestehen darauf, dass alle lebenden Gentech-Organismen erfasst werden sollen, egal worum es sich handelt. Noch wehrt sich die USA dagegen. Ihr einziges Zugeständnis: Saatgut und Zuchttiere sollen von dem Biosafety-Protokoll erfasst werden, alle anderen Produkte werden von der WTO geregelt. Das würde bedeuten, das die meisten Produkte nur unter das Handelsabkommen fallen würden. Auch eine Kennzeichnung von Massenlieferungen mit Mais oder Soja würde damit entfallen, da sie als nicht zulässiges Handelshemmnis eingestuft würden. Ob die USA in diesem Punkt nachgeben werden, ist fraglich. Gestern sind jedenfalls einige der erwarteten 40 Staatsminister in Montreal eingetroffen, unter ihnen auch die deutsche Gesundheitsministerin Andrea Fischer. Sie wollen den Termin nicht verpassen, wenn es doch zu einer Einigung über den Vertragstext kommen sollte. Wolfgang Löhr

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