„Falsches Mittel“

■ Kontra Tobin-Steuer: Ulrich Schröder, Ökonom bei der Deutschen Bank, setzt lieber auf die nationale Wirtschaftspolitik

taz: Wird Ihnen angst und bange, wenn Sie die gigantischen Kapitalbewegungen auf den Weltfinanzmärkten und die mitunter katastrophalen Folgen für die Menschen beobachten?

Ulrich Schröder: Nein, obwohl die Größenordnungen spektakulär sind: 3.000 Milliarden Mark werden täglich am Devisenmarkt umgesetzt. Insgesamt aber haben sich Kursschwankungen zwischen den großen Währungen wie Dollar und Euro vermindert.

Muss man in Krisenzeiten Länder davor schützen, dass Geldmassen abfließen, die Währung ins Bodenlose stürzt, und die Arbeitslosigkeit zunimmt?

Wer das tut, riskiert, kein Geld von außen mehr zu bekommen. Ausländisches Kapital aber ist sehr wichtig. In vielen Ländern macht es den wirtschaftlichen Aufschwung erst möglich. Wenn freilich ein Land noch keinen entwickelten Kapitalmarkt hat, kann es sinnvoll sein, den Zufluss von Geld zu beschränken. Chile hat das so gemacht. Dann halten sich auch die potenziellen Abflüsse im Krisenfall in Grenzen.

Die Tobin-Steuer stellt kein sinnvolles Mittel dar, um Kapitalströme zu regulieren?

In einer Zeit, in der sich Europa eine gemeinsame Währung gibt, läuft das dem Zusammenwachsen der Weltwirtschaft zuwider. Außerdem lässt sich die Tobin-Steuer kaum realisieren. Man bräuchte dafür das Einverständnis der größten Devisenmärkte weltweit: Hongkong, Singapur, London, New York, Frankfurt, Tokio. Wie soll das funktionieren, wenn schon eine relativ milde Maßnahme wie die gemeinsame Kapitalertragssteuer an der britischen Regierung scheitert?

Wenn ein Konsens möglich wäre – könnte die Tobin-Steuer dann heilsam sein?

Wohl kaum. In den Augen ihrer Befürworter dämpft die Steuer die Wertschwankung von Währungen, indem sie einen Teil des Devisenhandels verhindert. Ob das gelingt, ist jedoch fraglich. Auf kleineren Märkten mit geringeren Kapitalmengen registriert man in der Regel wesentlich größere Kursschwankungen. Wenn wenig Geld im Spiel ist, können einzelne Marktteilnehmer mit ihren Käufen und Verkäufen heftigere Ausschläge verursachen.

Während der Asienkrise 1997 verlor die thailändische Währung Baht rasch 20 Prozent ihres Wertes. Ausländische Investoren zogen Milliarden Dollar ab, um mit minimalen Kurschwankungen Profite zu machen. Vieles davon hätte eine Steuer von einem Prozent auf jede Spekulation verhindert.

Ihr Beispiel illustriert, dass die Tobin-Steuer nichts ausgerichtet hätte. Wer damals thailändische Staatsanleihen besaß, befürchtete, dass ihr Wert um fünf, zehn oder mehr Prozent sinken würde. Die Leute verkauften, weil sie diesem Wertverlust zuvor kommen wollten, und nicht, um minimale Schwankungen auszunutzen.

Auch große Kursschwankungen setzen sich aus vielen kleinen Schritten zusammen. Könnte man nicht die Ausnutzung dieser geringen Wertveränderungen mit der Steuer sinnlos machen?

Sie können den kurzfristigen Handel damit eindämmen. Aber die Anleger denken auch langfristig. Grundsätzliche Ungereimtheiten in einer Volkswirtschaft bleiben ihnen nicht verborgen.

Was schlagen Sie vor, um internationale Finanzkrisen zu entschärfen?

Die falsche Wirtschaftspolitik einiger Länder hat die Asienkrise hervorgerufen. Die thailändische Regierung hatte ihre Währung zu eng an den Dollar gekoppelt. Der Baht war heillos überbewertet. So etwas muss die nationale Wirtschaftspolitik verhindern.

Sie wollen keine zusätzliche Regulierung der Kapitalmärkte?

Das Hauptgewicht muss in den betreffenden Ländern liegen. International ist es notwendig, mehr Transparenz an den Märkten herzustellen. Der Internationale Währungsfonds sollte die Staaten zum Beispiel verpflichten, aussagekräftige Wirtschaftsberichte abzuliefern, damit die Marktteilnehmer die Lage besser einschätzen können. Eine wirksame Banken- und Börsenaufsicht ist die Voraussetzung für offene Kapitalmärkte. Dadurch ließen sich wirtschaftliche Krisen mildern. Verhindern kann man sie freilich nicht. Interview: Hannes Koch