„Spekulation bremsen“

■ Pro Tobin-Steuer: Jörg Huffschmid, Wirtschaftsprofessor, erwartet, dass destablilisierende Spekulation unattraktiv wird

taz: Die weltweite Einführung einer Tobin-Steuer in absehbarer Zeit scheint utopisch. Wenn sie aber nur in einigen Ländern oder in der EU erhoben würde, führt das nicht zu einer massiven Kapitalflucht ?

Jörg Huffschmid: Ich glaube nicht, dass das geschehen wird, weil sich für das Kapital die Frage stellt, wohin es eigentlich fliehen soll. Die Menge der attraktiven Alternativen zur EU nimmt nicht unbedingt zu. Der attraktivste Anlageplatz ist natürlich die USA, aber die sind derartig im Börsenboom, dass man eigentlich davon ausgehen muss, dass viel Kapital nicht mehr aufgenommen werden kann. Potenzielles Fluchtkapital muss sich natürlich auch fragen, ob es so sinnvoll ist, aus der EU zu fliehen, wenn sie der größte Wirtschaftsraum ist und das Kapital ja irgendwann auch wieder ankommen muss, da, wo auch Profite erzielt werden können.

Könnte die Tobin-Steuer Finanzkrisen verhindern?

Eine Tobin Steuer ist kein geeignetes Instrument um eine massive Spekulation zu verhindern, bei der etwa ein großer Spekulant sagt, ich halte eine Währung für zehn oder zwanzig Prozent überbewertet und stecke mein Geld in die Spekulation gegen diese Währung. Dazu ist die Tobin-Steuer in ihrer Wirkung viel zu geringfügig. Aber sie kann allmählich sich aufbauende Spekulation bremsen.

Worin liegt denn dann ihre stabilisierende Wirkung ?

Sie ist sehr gut geeignet um Zinsarbitrage zu verhindern, also dass ein Finanzanleger in einem Land mit niedrigen Zinsen sein Geld in ein Land mit höheren Zinsen transferiert. Wenn dieser Gewinn durch die Tobin.Steuer wegfällt, dann wird ein Anleger so was nicht machen. Das ist ausgesprochen sinnvoll: Länder in einer Rezession brauchen niedrige, Boom-Länder hohe Zinsen. Die niedrigen Zinsen sollen ja die Produktion ankurbeln, die hohen Zinsen die Inflation bremsen.

Wie hoch müsste die Tobin-Steuer idealerweise sein ?

Ich bin skeptisch gegenüber den jüngerern Diskussionen von 0,1 oder 0,2 Prozent. Tobin hatte ja 1 Prozent vorgeschlagen, und das bedeutet für einen Roundtrip, also in ein Land einmal rein, einmal raus, 2 Prozent. Das ist immer noch für eine Kapitalanlage, die über fünf Jahre läuft, ein zu vernachlässigender Betrag. Aber für eine Anlage, die nur für einen Monat gegeben wird, ist das schon ein hoher Prozentsatz.

Nun sind ja die letzten Krisen auch durch Hedge-Fonds und andere risikoreiche Anlagen ausgelöst worden. Was für Maßnahmen müssten denn über die Tobin-Steuer hinaus noch ergriffen werden ?

Bei Hedge-Fonds oder überhaupt bei riskanten Fonds sollten die Banken, die diese Fonds normalerweise aus Krediten finanzieren, einen ausreichenden Betrag an Eigenkapital halten müssen – als Reserve für Ausfälle. Also nicht, wie derzeit, etwa 8 Prozent, sondern 30 bis 35 Prozent. Ausserdem muss man den massiven Zufluss von Kapital in Entwicklungs- und Schwellenländer regulieren. Da werden doch viele spekulative Projekte aufgebaut ...

... weil die Märkte schon übersättigt sind..

Ja. Da würde es schon helfen, wenn man Kapital, das man nicht braucht, nicht so einfach ins Land lässt. Chile hat das vorexerziert: Investoren, die kurzfristiges Kapital ins Land bringen wollen, müssen einen bestimmten Prozentsatz zinslos bei der Zentralbank hinterlegt haben. Das bekommen sie nur dann zurück, wenn sie ihre Anlage eine bestimmte Zeit im Land gehalten haben.

Das andere Mittel, das Malaysia anwendet: Kapitalverkehrskontrollen. Malaysia hat in der Krise einfach keine Banküberweisung ins Ausland mehr erlaubt. Die internationale Gemeinschaft hat natürlich gesagt, das macht ihr nur einmal, ihr werdet nie mehr Kapital auf dem Weltmarkt kriegen. Falsch. Als Malaysia letztes Jahr diese Sperre wieder aufgehoben hat, haben sich die Anleger wohl gesagt: Es ist gar nicht so unvernünftig, dass es hier eine gewisse Kontrolle, eine gewisse Sicherheit gibt, da können wir also auch weiter investieren. Das hat die interessante Folge, dass ein Land, das drastische Kapitalbeschränkungen eingeführt hat, zur zweitdynamischsten Börse aller Schwellenländer geworden ist.

Weltweit gesehen widersprechen Kapitalverkehrsbeschränkungen aber doch dem Mainstream und erscheinen sehr unwahrscheinlich ...

Ja, dem Mainstream der Wirtschaftslehre vor allem in der Bundesrepublik. Aber anderswo, zum Beispiel beim Internationalen Währungsfonds, hat doch ein Nachdenken darüber angefangen, dass Kapitalsverkehrsbeschränkungen vielleicht doch nicht nur Teufelszeug sind.

Würden Sie die Tobin-Steuer im Alleingang befürworten ?

Ja, ich finde sie auch sinnvoll, wenn sie die EU im Alleingang erhebt. Über kurz oder lang würden die USA nachfolgen, weil sie sehen, das hat einen stabilisierenden Effekt und bringt im Übrigen Geld in die Kasse. Interview:

Katharina Koufen