: „Die besseren Peacekeeper“
■ Die New Yorker Politologin Francine D’Amico steht dem Militär kritisch gegenüber. Trotzdem befürwortet sie, dass Frauen Soldatinnen werden: „Das Kampfverbot hat sie zu Opfern gemacht“
Francine D’Amico, Politologin an der State University of New York und Antimilitaristin, beschäftigt sich seit zwanzigJahren mit weiblicher Repräsentation in internationalen Beziehungen und mit Soldatinnen in den Streitkräften. Sie hielt den Auftaktvortrag einer Veranstaltungsreihe zum Thema Geschlechterverhältnis und Militär in der Berliner Heinrich-Böll-Stiftung, die morgen mit einem Vortrag der Militärsoziologin Ruth Seifert fortgesetzt wird.
taz: Sind weibliche Krieger etwas Positives, weil sie die traditionellen Geschlechterrollen sprengen, oder sind sie einfach nur ein Produkt der individualistischen Leistungsgesellschaft?
Francine D’Amico: Der Ausschluss von Frauen aus gesellschaftlichen Positionen ist schlicht verfassungswidrig. Ich will nicht, dass irgendjemand irgendjemanden umbringt. Aber ich weiß auch, dass das alte Kampfverbot für Frauen sie zu Opfern gemacht hat. Das machte sie erst verwundbar. Und jetzt sind sie vielleicht etwas weniger verwundbar. Im Übrigen befindet sich die große Mehrheit der militärischen Jobs im nicht kämpfenden Bereich, und die meisten Mitglieder von Kampfeinheiten erleben niemals einen Kampf. Aber glücklich bin ich über all das nicht.
Die USA haben 1973 ihre Streitkräfte verstärkt für Frauen geöffnet. Wie hat sich das Militär durch deren Teilnahme geändert?
Als die Frauen begannen, Männerarbeit zu tun, schlug ihnen oft offene Feindschaft der Männer entgegen. Vorgesetzte wiesen sie etwa an, schweres Gepäck zu bugsieren, im Glauben, sie könnten das nie, aber Frauen halfen sich gegenseitig. Solche Geschichten hört man oft; aber es gibt sie in allen „männlichen“ Institutionen. Solches Männerverhalten ist „Gender“-Schikane. Dann gibt es auch noch die sexuelle Schikane: „Wenn du in diesem Job was werden willst, dann schlaf mit mir, sonst werde ich dich als Lesbe anzeigen, und dann fliegst du!“ und Ähnliches. Sexuelle Belästigung und Vergewaltigung scheinen in der U.S. Army nahezu tagtäglich vorzukommen. Aber einige Frauen haben früher in zivilen Jobs gearbeitet und meinten, die sexuelle Belästigung dort sei schlimmer gewesen als in der Armee.
Wie geht das Militär damit um, dass Frauen Kinder bekommen?
Frauen, die heiraten und/oder schwanger werden, werden jetzt nicht mehr automatisch vom Militär ausgeschlossen. Das war bis in die späten Siebzigerjahre noch so. Auf der anderen Seite ist es für Armeeangehörige nicht leichter geworden, Beruf und Familie zu vereinbaren. Es gibt zwar viele Kindergärten auf den Stützpunkten, aber ihre Betreuungszeiten richten sich nur selten nach den Dienstzeiten. In den Militärhospitalen werden weder Schwangerschaftsabbrüche vorgenommen noch Frauenkrankheiten behandelt.
Insgesamt entsteht der Eindruck, als sei kein großer Unterschied zwischen Militär und Zivilgesellschaft vorhanden. Oder gibt es den doch?
In einer Hinsicht auf jeden Fall: in der zusätzlichen Kontrolle, die militärische Vorgesetzte ausüben. Aus einem Militärcamp kann man nicht nach Dienstschluss weggehen. Eine Frau hat dort keine Chance, ihrem Vergewaltiger aus dem Weg zu gehen. Sie kann auch nicht zur Beratung gehen, denn die Psychologen sind nicht zur Verschwiegenheit verpflichtet. Und sie kann bei keinem Zivilgericht Klage einreichen, denn das ist Militärangehörigen nicht erlaubt. Frauen im Militär sagten mir, das Beste, was ihr für uns in solchen Fällen tun könnt, ist aufzupassen und Öffentlichkeit herzustellen. Ich habe den deutschen Frauen keine Ratschläge zu geben, aber die Frage ist doch, wie Unterstützung für diejenigen organisiert werden kann, die ins Militär gehen. Wenn wir sagen, Sexarbeiterinnen machen halt ihre Arbeit, wir haben darüber nicht moralisch zu richten, dann gilt das auch für Soldatinnen. Wir müssen auch sie vor Schaden bewahren und vor Vergewaltigung schützen.
Hat sich Ihre Position im Laufe Ihrer Arbeit geändert?
Ja. Früher dachte ich auch: Frauen sollen da nicht rein, basta. Jetzt denke ich: Das Militär wird es auf absehbare Zeit weiter geben. Die Frage ist: Was für ein Militär? Wir könnten dafür sorgen, dass es humanisiert wird, dass es weniger hierarchisch zugeht. Oder dass die Stützpunkte dezentralisiert werden, dass wir zum Modell der lokalen Verteidigung zurückkehren, anstatt junge Rekruten weit weg von ihren Familien unter die absolute Herrschaft ihrer Drillausbilder zu bringen.
Können Frauen das Militär wirklich humanisieren?
Ich habe zu meinen beiden Söhnen gesagt: Okay, es gibt einen großen Druck auf junge Männer, zum Militär zu gehen, aber wenn ihr unbedingt meint zu müssen, dann geht zur Küstenwache, deren Auftrag heißt „bergen und retten“, das heißt, sie ist am wenigsten militaristisch. Glaubt ihr, diejenigen, die nicht in Vietnam waren, hätten irgendwas vermisst? Schießereien, zerfetzte Körper, spritzendes Blut? Was wir wirklich brauchen, das sind alternative Wege für Männer, Männlichkeit auszuprobieren.
Ist das Militär nicht immer eine Institution, deren Zweck das Töten ist?
Ja, mit oder ohne Frauen. Aber seit Vietnam ist der Unwille, irgendjemandes Leben zu riskieren, massenhaft verbreitet. Und nun haben wir in den USA diese „Smart-Bomben“, die keinen Soldaten mehr brauchen, der sie abfeuert. Das ist die militärische Revolution, die sich abzeichnet. Man arbeitet nicht an neuen Strategien des Peacekeeping, sondern an neuen Arten der Kriegführung. Aber entweder wir geben gleich auf, oder wir sagen: Diese Woche brechen wir ein Loch in die Wand.
Wie könnte die Idee des Peacekeeping aufgewertet werden?
Eine der großen Aufgaben für die Zukunft wird sein durchzusetzen, dass auch Peacekeeper den höheren Sold kriegen, der bisher nur kämpfenden Einheiten zustand, dass auch sie Medaillen und Orden bekommen. Und ich glaube, dass Frauen die besseren Peacekeeper sind. Nicht weil sie von Natur aus friedlicher sind und blablabla, sondern weil es mit ihnen keine Vergewaltigungen und keine Bordelle gibt. Wenn Männer in Uniform muslimische Frauen in Bosnien vergewaltigen, was kann man da tun? Mehr Männer in Uniform hinschicken? Frauen im Militär beschäftigen sich viel mit Erziehung, mit medizinischer Hilfe, mit Kommunikation, mit Konfliktlösung – ich fände es viel logischer, sie auf solche Missionen zu schicken. Interview: Ute ScheubKarin Gabbert
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